So viel Einmischungen war noch nie

Kommentar zu den Bemerkungen von NATO und EU zur georgischen Justiz

Da hat sich der oberste Generalsekretär der Wertegemeinschaft NATO nicht gerade mit Ruhm bekleckert, als er samt seiner Parlamentarischen Versammlung der neuen georgischen Regierung „selektive Justiz“ und damit politisch motivierte Rachefeldzüge unterstellte. Zu allem Überfluss hatte auch EU-Kommissionschef Manuel Barroso in dasselbe Horn geblasen. Alle, ohne sich zunächst einmal bei Bidsina Iwanischwili über die Prinzipien seiner Regierung zu informieren, ohne den Mann erst einmal persönlich kennen gelernt zu haben.

Einseitige Informationsbeschaffung ist noch der geringste Vorwurf, den man beiden Spitzenpolitikern der euro-atlantischen Szene machen muss. Man könnte es auch eine üble Brüskierung der neuen georgischen Regierung nennen. Dass Rasmussen und Barroso tags darauf nach den Gesprächen mit Iwanischwiili eifrig zurückruderten, war nicht viel mehr als peinliche Schadensbekämpfung.

Was bleibt: Soviel einseitige Einmischung in die Innenpolitik und vor allem in die Justiz eines Staates war noch nie. Hoffentlich ein einmaliger Ausrutscher, der allerdings nie und nimmer hätte passieren dürfen, wenn sich EU und NATO hier in Georgien mit eigenem, kompetenten Personal selbst sachkundig gemacht hätten, statt Informationen aus Georgien zu vertrauen, denen man ein eindeutiges innen- und parteipolitisches Interesse unterstellen darf.
Rainer Kaufmann