Wie übersetzt man das Wort Nichtigkeitsbeschwerde juristisch präzise ins Georgische, dass zum Beispiel Vertragstexte in beiden Sprachen dieselbe Aussage haben? Vor diesem und vielen ähnlichen Problemen stand ein Redaktionsteam von Juristen, Germanisten und Übersetzern, das seit Jahren an einem deutsch-georgischen und deutsch-georgischen Fachwörterbuch für Juristen arbeitete. Das Buch liegt jetzt vor und wurde in einer Präsentation der GIZ zusammen mit dem Obersten Gerichtshof Georgiens im Goetheinstitut vorgestellt. Und damit auch die Übersetzung der Nichtigkeitsbeschwerde: Immerhin zehn Wörter braucht man in Georgien, um diesen Fachbegriff juristisch einwandfrei zu formulieren.
Mit der Herausgabe dieses Buches ging ein seit Jahren geäußerter Wunsch deutscher und georgischer Juristen in Erfüllung, erklärteZeno Reichenbecher, Leiter der GIZ-Rechtsberatung im Südkaukasus bei der Vorstellung. Über 20.000 Eintragungen enthält das Buch, also mehr als 10.000 Begriffe, die jetzt für Juristen beider Sprachen in einer übersichtlichen Gegenüberstellung abrufbar sind, ein wichtiges Werkzeug im juristischen Alltag nicht nur für Fachleute. Auch in den Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern wird dieses Buch wertvolle Dienste leisten, da es auch nahezu alle Begriffe aus dem kaufmännischen Alltag enthält. Das Buch soll vor allem Übersetzern und Juristen das zwischenstaatliche Geschäft erleichtern, es soll aber auch Eingang finden in Wissenschaft, Forschung und Lehre. Damit es vor allem georgischen Juristen hilft, deutsche Rechtstexte zu verstehen und präzise zu übersetzen, wurde für alle deutschen Begriffe, denen kein gebräuchliches georgisches Wort gegenübersteht, eine entsprechende Umschreibung gefunden, die teilweise mehr als zehn Zeilen umfasst. Der präzise Begriff „Schutzschrift“ zum Beispiel bringt in der georgischen Sprache auf ganze 14 Zeilen.
Grundlage des Buchs ist ein juristisches Wörterbuch von Professor Gernot Köbler, das bereits in mehrere andere Sprachen übersetzt wurde, u.a. in Englisch, Chinesisch, Russisch, Spanisch, Französisch, Portugiesisch und Italienisch. Jetzt ist Georgisch dazugekommen. Konstantine Kublaschwili, der Präsident des Obersten Gerichtshofs Georgien, der an der Erarbeitung des Wörterbuchs beteiligt war, vergleicht die Arbeit an diesem Buch mit einer Art Höhenangst: „Das Herangehen an ein ethnisch fremdes Wort, das in einer anderen Geschichte, in einer anderen Kultur geboren wurde und seine Übertragung in die vertrauliche, heimische Ausdrucksweise“. Dabei müssten Integrität, Originalität und Identität, d.h. die präzise Deutung des Wortes erhalten bleiben, „denn jede Sprache ist auf eine bestimmte Weise eine undurchdringliche Welt, deren Reichtum erheblich durch die Vielzahl der so genannten unübersetzbaren Wörter gemessen wird.“
Der Aufgabe dieses Buches hat sich eine Gruppe von Juristen, Germanisten und Übersetzern unterzogen, denenZeno Reichenbecherseinen besonderen Dank aussprach: Eter Chachanidse, Gaga Gabritschidse, Nina Khutschua, Lascha Kalandadse, Manana Manjgaladze, Roin Migriauli, Schalva Papuaschwili und Ketevan Pkhakadze.
Der deutsche Botschafter Ortwin Henning stellte in seinem Grußwort die Bedeutung einer unabhängigen und professionellen Justiz für die Entwicklung eines funktionierenden Rechtsstaates heraus. Die Justiz sei der Rahmen für politisches und ökonomisches Handeln in einer Demokratie. Ein Schwerpunkt der deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit Georgien ist deshalb seit Erreichen der Unabhängigkeit die Beratung bei der Justizreform des Landes.
Da sich Sprache ständig weiterentwickelt und gleichzeitig nicht alle strittigen Übersetzungsfragen ein für allemal gelöst werden können, wird das Wörterbuch in Kürze online gestellt und ist über das Internet für jeden Interessierten verfügbar. WieZeno Reichenbechererklärte, soll diese Datenbank interaktiv gestaltet werden, d.h. Änderungswünsche und Verbesserungsvorschläge können zur Diskussion im Netz eingestellt werden. Sie werden dann von der Wörterbuch-Redaktion überprüft und gegebenenfalls auch übernommen. So ist ein ständiger Dialog über den deutsch-georgischen Rechtswortschatz gewährleistet.