Keine Entscheidung am 8. Oktober

Es liegt am georgischen Wahlgesetz, dass alle derzeitigen Umfragen kaum das Papier wert sind, auf dem sie gedruckt werden. Genauso wenig wird das Ergebnis der landesweiten Verhältniswahl am Abend des 8. Oktober einen Aufschluss über die endgültige Sitzverteilung im Parlament hergeben oder auch nur irgendeine belastbare Information über die künftige Regierung. Es kann bis Ende Oktober dauern, bis die endgültige Sitzverteilung im Parlament fest steht.

Das liegt daran, dass von den 150 Sitzen im Parlament nur 77, also etwas mehr als die Hälfte, über die landesweiten Listen und die Verhältniswahl vergeben werden. Der Rest, 73 Sitze, wird in 73 Wahlkreise im Direktwahlverfahren vergeben. Das heißt, eine Partei, die bei den Verhältniswahl auf 40 Prozent der Stimmen kommt, hat am Wahlabend zunächst einmal nur rund 20 Prozent der Parlamentssitze sicher.

In den Wahlkreisen, die teilweise neu zugeschnitten wurden, gilt bei dieser Wahl im ersten Wahlgang ein Quorum von 50 Prozent, bei den letzten Wahlen reichten dem Sieger eines Wahlkreises noch 30 % der Stimmen, um ein Mandat zu erringen. Nach den derzeitigen Umfragen ist kaum damit zu rechnen, dass in einer nennenswerten Zahl von Wahlkreisen schon im ersten Wahlgang der Sieger feststeht. Eine Nachwahl muss innerhalb von 25 Tagen statt finden. Das heißt, der letzte mögliche Termin für einen erneuten Urnengang liegt sogar erst Anfang November.

Es wird, um die endgültige Sitzverteilung im Parlament zu ermitteln, darauf ankommen, wie die Parteien in den Wahlkreisen mit den Ergebnissen des ersten Wahlgangs umgehen. Es könnte im Extremfall dazu kommen, dass die Siegerpartei in der landesweiten Verhältniswahl auch in den Direktwahlkreisen überall nur 40 Prozent erzielt und damit kein Direktmandat im ersten Wahlgang erringt. Sollten sich jetzt alle anderen Parteien in allen Wahlkreisen auf nur einen Kandidaten einigen, könnte der 40-Prozent-Wahlsieger theoretisch am Ende mit nur 20 Prozent der Parlamentssitze da stehen. Das Gegenbeispiel: Sollte die 40-Prozent-Sieger-Partei bei den Nachwahlen, bei denen es kein Stimmenquorum gibt, alle Direktmandate gewinnen, kann sie sogar mit einer verfassungsändernden Mehrheit von über 66 Prozent der Parlamentssitze rechnen. Somit ist durchaus möglich, dass die endgültige Sitzverteilung im Parlament keinesfalls den überwiegenden Wählerwillen widerspiegelt als vielmehr das Ergebnis von Parteien-Kungeleien hinter den Kulissen. Eine solche Kungelei ist bereits öffentlich verkündet. Die Regierungspartei Georgischer Traum verzichtet in einem Tifliser Wahlkreis von vorneherein auf einen Direkt-Kandidaten. In diesem Wahlkreis tritt die frühere französische Diplomatin und spätere Außenminister Saakaschwilis, Salome Surabischwili, als unabhängige Direktkandidatin an. Der Vorsitzende des Georgischen Traums, Premierminister Kwirikaschwili, begründete den Verzicht auf einen eigenen Kandidaten damit, man wolle unbedingt die außenpolitische Erfahrung Surabischwilis im Parlament sehen. Eine Blaupause etwa für den einen oder anderen Postenhandel zwischen den beiden Wahlterminen?