Weder Abhängigkeit noch Kumpanei

Kommentar zum Fall Rustavi 2

Nein, dieser Premierminister darf sich nicht wundern, wenn ihm niemand mehr abnimmt, seine Regierung stehe gleichermaßen für die Freiheit der Meinungsäußerung und die Freiheit der Justiz. Zu unverfroren hat er selbst bis noch vor wenigen Tagen den meisten Journalisten Vorhaltungen gemacht, sie würden“der Agenda von Sadisten und Schlächtern folgen“, weil sie sich überwiegend kritisch mit der Regierung auseinandersetzten. Zu massiv hatte er die Berichterstatter sogar aufgefordert, sie hätten zuvörderst die Leistungen der Regierung positiv darzustellen. Dass er angesichts der internationalen Erregung, die ihm jetzt entgegenschlägt, seit gestern plötzlich das hohe Lied der Meinungsfreiheit singt, ist mehr als nur verwunderlich.

Nein, Kibar Chalwaschi, der seine unter Regierungserpressung abgetretenen Anteile an Rustavi 2 zurückfordert, darf sich nicht wundern, wenn andere an seinen angeblich hehren Motiven von wieder herzustellender Gerechtigkeit zweifeln. Er selbst hat die Anteile an Rustavi 2 unter mehr als nur obskuren Umständen übernommen, wobei es Mikheil Saakaschwili war, der den Geschäftsmann aus Adscharien, der damals keine Ahnung vom TV-Geschäft und Journalismus hatte, ins große Spiel brachte. Chalwaschi diente seinem Präsidenten ganz offensichtlich treu und ergeben, bis er wegen seiner Vertrautheit mit dem in Ungnade gefallenen Verteidigungsminister Okruaschwili selbst aus dem Geschäft gedrängt wurde. Chalwaschis Nähe zu Bidzina Iwanischwili spielt für viele Beobachter ebenfalls eine Rolle.

Nein, Nika Gwaramia und seine politischen Freunde von der UNM haben keinen Grund von einer neuen Diktatur zu sprechen. Wer, so lange er an der Regierung war, mit privaten TV-Stationen und ihren Aktionären so unverschämt umgesprungen ist, wie Saakaschwilis Mannschaft, nur um sich eine positive Berichterstattung zu sichern, darf keine Krokodilstränen vergießen, wenn andere dieses Beispiel, so übel es auch sein mag, nachzuahmen versuchen. Und wer, wie Nika Gwaramias Rustavi 2 bis zum bitteren Ende ein treuer Herold seines Meisters war, hat jedes Recht auf öffentliche Entrüstung verspielt.

Und schließlich: Nein, der einsame Richter vom Tifliser Stadtgericht darf sich nicht wundern, wenn ihm die Öffentlichkeit unterstellt, den vorläufigen Vollzug seines Urteils auf direkte Weisung entweder der Regierung oder einer anderen, wie auch immer zu benennenden Instanz, einer stadtbekannten grauen Eminenz etwa, beschlossen zu haben. Zu glatt passt sein Verhalten zu dem seit mehr als einem Jahrzehnt ausgeübten Umgang der Mächtigen mit den Medien und dem vorauseilenden Gehorsam der Richterschaft gegenüber den oder dem Mächtigen im Lande.

Und die internationale Gemeinschaft, die sich zu Recht Sorgen macht angesichts des Umgangs der politisch Mächtigen mit der 3. und der 4. Gewalt im Staate, der Justiz und den Medien, muss sich vorhalten lassen, in den Jahren Saakaschwilis dessen unbeherrschten Zugriffen zu strategisch wichtigen Medien und der gesamten Justiz stillschweigend hingenommen zu haben. Die mit Millionen schweren Etats ausgestatteten PR- und Lobby-Agenturen Saakaschwilis hatten damals eine kritische Reaktion im westlichen Ausland verhindert. Vor allem die EVP in Brüssel (Europäische Volkspartei) und die McCains jenseits des Großen Teichs hielten ob dieser professionellen Indoktrination ihre schützende Hand über Saakschwili.

Was lehrt die Geschichte von Rustavi 2, die aktuelle und die der letzten 20 Jahre? Eigentlich recht wenig, eigentlich nur eine Binsenweisheit: Solange sowohl Medien-Schaffende einschließlich ihrer Finanziers und Manager wie auch die Regierenden nicht begreifen, dass das Verhältnis zwischen Politik und Medien eines ist, dass weder Abhängigkeit noch Kumpanei verträgt, so lange wird sich an der Medien-Landschaft in Georgien wenig ändern.

Nachtrag: Der Manager von Rustavi 2, Nika Gvaramia, zum Widerstand gegen das Gerichtsurteil aufrief, war während der Regentschaft von Sakaschwili zunächst stellvertretender Generalstaatsanwalt, dass Justizminister, später Minister für Wissenschaften und Erziehung. Ein Mann für alle Fälle? Oder auf jeden Fall ein Mann für MIscha?

                                                                                                                 Rainer Kaufmann