EVP mischt sich erneut in die inneren Angelegenheiten Georgiens ein

Die Europäische Volkspartei (Europäische Volkspartei -EPP/European Peoples Party) hat zur Untersuchungshaft gegen den früheren Innenminister und Premier Georgiens, Wano Merabischwili, eine Stellungnahme abgegeben, die wir im folgenden in der Originalversion der georgischen Nachrichtenagentur IPN veröffentlichen. Lesen Sie danach einen Kommentar von Rainer Kaufmann, Herausgeber der Kaukasischen Post.

Stellungnahme der EVP (Quelle: Interpress News)

President of the EPP Group in the Council of Europe Parliamentary Assembly Luca Volonte made the following address to the Assembly in reaction to the recent arrest of the Secretary General of United National Movement and Georgia’s former Prime Minister Vano Merabishvili as well as governor of Kakheti and the former Ambassador to the Council of Europe Zurab Tchiaberashvili.
“As you are aware the situation in Georgia has continued to worsen in recent weeks. The arrest of Mr. Vano Merabishvili and Mr. Zurab Chiaberashvili, has marked a new step in Georgia’s democratic backsliding. The fact that Mr. Merabishvili is viewed as a likely candidate in the forthcoming Presidential contenders raises further questions towards the Georgian authorities.
This deplorable development took place against the background of Prime Minister Bidzina Ivanishvili’s consistent revanchist rhetoric and declared policy to eliminate the main opposition political force – UNM – from the political landscape and to designate suitable opponents.
If not addressed in a timely and adequate manner, this sequence of events, threaten to seriously damage Georgia’s democratic development, which gained new momentum by the first-ever electoral change of power,” Mr. Volonte said.
“Our Assembly and its bodies must act resolutely and in a timely manner in order not to allow deepening of the backsliding,” he added.

Kommentar

Man stelle sich bitte folgendes Szenario vor: Ein deutscher Staatsanwalt hat hinreichenden Anfangsverdacht, dass ein früherer Minister, Regierungschef und jetziger Spitzenfunktionär einer Partei mehrere gravierende Gesetzesverstöße begangen hat, die mit mehrjährigen Gefängnisstrafen bewehrt sind. Was wird er tun, was muss er tun? Ermitteln und, wenn die Beweislage es erfordert, Anklage erheben. Täte er dieses nicht, würde er sich der Strafvereitelung im Amte schuldig machen, zumindest ein einigen Ländern, in denen Staatsanwälte und Richter das Parteibuch einer EVP-Mitgliedspartei besitzen.

Wenn dann der Staatsanwalt genügend Gründe vorbringen kann, dass Verdunkelungs- und Fluchtgefahr besteht, was wird er tun? Er wird den Beschuldigten festnehmen und in der gesetzlichen Frist dem Haftrichter vorführen, der in seiner richterlichen Unabhängigkeit alleine über die Anordnung einer Untersuchungshaft entscheidet.

Wenn dies alles in Deutschland geschehen wäre, hätte die EVP dann auch nur einen einzigen Grund, die Rechtsstaatlichkeit dieses Vorgangs anzuzweifeln? Würde die EVP in diesem Falle einem deutschen Regierungschef, der sich in laufende juristische Verfahren nicht einmischen darf, politische Rachemotive unterstellen dürfen? Würde die EVP in einem solchen Fall zu einer „resoluten“ Aktion eines europäischen Parlaments aufrufen, um demokratische Rückschritte in Deutschland zu verhindern? Gehört nicht die Unabhängigkeit der Justiz zu einem der wichtigsten Güter europäischer Wertvorstellungen, denen sich die EVP verpflichtet fühlt?

Die Uhren der EVP in Sachen Georgien laufen noch immer verkehrt herum. Denn nichts anderes ist bis heute mit Wano Merabischwili, dem früheren Innenminister, Regierungschef und heutigen Generalsekretär der Oppositionspartei UNM (United National Movement) geschehen. Die Justizorgane (Staatsanwaltschaft und Gerichte) folgen dem Grundsatz: Vor dem Gesetz sind alle gleich. Auch einer, der in den Medien und seiner Partei als möglicher Präsidentschaftskandidat gehandelt wird. Aber: Bis heute hat Merabischwili weder seine Kandidatur erklärt noch wurde er von seiner Partei zum Kandidaten ernannt. Es ist noch nicht einmal klar, ob Merabischwili an den in der UNM geplanten „Vorwahlen“ als Kandidat zur Verfügung steht. Reicht dies aus, dass ein Beschuldigter Immunität verlangen kann?

Der Haftrichter hat dies anders gesehen und Merabischwili in Untersuchungshaft genommen, wohl auch deshalb, weil er kurz nach den für ihn verlorenen Wahlen schon versucht hatte, mit einem gefälschten Pass Georgien zu verlassen. Hätte ein deutscher Haftrichter sich anderes verhalten (können)? Der Haftrichter hat übrigens den zweiten Beschuldigten der UNM, den der Staatsanwalt vorläufig festgenommen hatte, gegen Kaution freigelassen. Sieht so nicht Rechtsstaat aus?

Der Hintergrund: Die georgische UNM hat bei der EVP Beobachterstatus – keine Mitgliedschaft – und zählt deshalb zur politischen Familie der EVP. Für die EVP reicht dies anscheinend aus, sich massiv in die Angelegenheiten der Justiz Georgiens einzumischen und sich für einen Mann als möglichen Präsidentschaftskandidaten einzusetzen, der angesichts der Schwere der Anschuldigungen bei keiner der EVP-Mitgliedsparteien in Europa als ein solcher gehandelt werden würde. Natürlich gilt bis zum letztinstanzlichen Urteil auch für Wano Merabischwili die Unschuldsvermutung. Natürlich gilt, das er Anrecht auf einen fairen und rechtsstaatlich einwandfreien Prozess hat. Aber: Gilt nicht auch für die georgische Justiz – zumindest bis zum Beweis des Gegenteils – die Vermutung rechtsstaatlichen Handelns? Die EVP hat sich – zum wiederholten Male – völlig einseitig in die inneren Angelegenheiten Georgiens eingemischt. Und die deutschen Mitgliedsparteien der EVP – CDU und CSU – schweigen.