Auf allen Augen blind

Kommentar zur Stellungnahme der EVP
von Rainer Kaufmann

Man muss schon auf allen Augen blind sein und – Verzeihung, Herr Martens – nahezu völlig von Sinnen, wenn man zu den Vorgängen vor der Nationalbibliothek im fernen Brüssel eine solche Stellungnahme abgibt. Oder völlig uninformiert. Oder, was noch viel schwerer wiegt, von der politischen Familie in Georgien völlig einseitig informiert.

Während in vielen Ländern, den USA, einigen europäischen Ländern und vor allem bei NATO und EU-Kommission längst eine intensive Kooperation mit der neuen Regierung eingesetzt hat und immer weniger Medien noch kritische Kommentare veröffentlichen, hat sich die EVP mit diesem Statement gründlich diskreditiert. Zum einen war der Anlass alles andere als schwerwiegend genug, um eine solche Bewertung abzugeben. Griechenland, Spanien, Bulgarien und andere Ländern der Wertegemeinschaft EU erleben von regelmässig Zusammenstöße ganz anderer Art. Zum anderen haben Mitglieder der EVP-Familienpartei UNM ganz offensichtlich die Auseinandersetzung mit den Protestierern gesucht. Das Handgemenge hätte vermieden werden können, man hat es gewollt. Aus all dem das vernichtende Urteil zu konstruieren, Georgien sei plötzlich nicht mehr reif für Europa, weil es dessen Werte nicht mehr achte, steht Politikern in Brüssel einfach nicht zu. Es ist eine unzumutbare, parteipolitisch einseitige Einmischung in die Innenpolitik Georgiens, eine Einmischung, bei der man die Ghoswriter aus Tiflis aus jeder Zeile unschwer ausmachen kann.

Die überwiegende Mehrheit der neutralen diplomatischen, politischen und journalistischen Beobachter der politischen Szene in Georgien ist entsetzt. Den Schaden hat die EVP, die sich hierzulande als politisch ernst zu nehmende Kraft erst einmal verabschiedet hat. Es wird mehr als einen Delegationsbesuch brauchen, um den Imageschaden für die EVP in der georgischen Regierung aber auch bei der Bevölkerung Georgiens wieder auszumerzen. In diesem Sinne: Willkommen in Georgien, Herr Martens. Es gibt hier viel zu erfahren und aufzuklären, vieles, was die Menschen hier seit Jahren wissen und sich wunderten, warum die Wertegemeinschaft der EU, die Sie so wortreich vertreten, weggeschaut hat. Familienmitgliedern blind zu vertrauen, hat schon manchem geschadet.

Zur weiteren Information hier ein interessanter Link. Es handelt sich uim ein Interview der Nachrichtenagentur IPN mit Armaz Akhvlediani, dem Direktor der Tbilisi School of Political Studies. http://www.interpressnews.ge/en/exclusive/44949-armaz-akhvlediani-national-movement-will-not-step-back-will-not-reject-the-bloodshed-and-ignoring-the-will-of-the-people.html