Im Portrait: Martin Homola

Der Leiter des GIZ-Südkaukasus-Büros

 Als er im Jahr 2010 die Leitung des Regionalbüros Südkaukasus der GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) in Tiflis angeboten bekam, hatte er, warum auch immer, nur 48 Stunden Zeit, sich zu entscheiden. Martin Homola griff zu und sagt heute, zwei Jahre später, er habe eine gute Wahl getroffen. Der 57-jährige ist verantwortlich für alle GIZ-Programme in Georgien, Armenien und Aserbaidschan. Er hat eine jetzt schon fast 30-jährige Erfahrung in der Entwicklungszusammenarbeit, ein GIZ-Urgestein also, das in diesen Jahren in Afrika, Asien und Lateinamerika gearbeitet hat. Von Hause aus Forstmann, er hat in Freiburg und Oregon studiert, ist er schon nach zwei Jahren Refererndarzeit im hessischen Forst aus der unausweichlichen Beamtenkarriere ausgeschieden. Der damalige Uniformzwang für Förster und die Enge des Traditionsberufs waren ihm zuwider.

So ging er 1983 für ein Jahr als Projektassistent in ein Bergregionenprogramm nach Indien. Zwei Jahre „Standzeit“ in der Zentrale folgten, bevor er seinen ersten längeren Auslandsaufenthalt antrat. Sechs Jahre verbrachte er auf den Fidschi-Inseln, wo er ein Programm zur natürlichen Waldbewirtschaftung leitete.

Nach einem erneuten Aufenthalt in Eschborn verschlug es ihn im Jahr 2000 in den arabischen Raum. Fünf Jahre war er in Dubai und Abu Dhabi für das so genannte Drittgeschäft der GIZ tätig. Dabei handelt es sich um Projektaufträge, die von lokalen Geldgebern finanziert wurden. In ganz Westafrika ließ er für die Saudis Brunnen bohren. Ins Schwärmen gerät er, wenn er von den Sommercamps spricht, die er damals in Abu Dhabi organisierte. Er sollte, so sein Auftraggeber, Jugendlichen im Sommer eine sinnvolle Beschäftigung anbieten. Ausgestattet mit einem satten Budget wurden deshalb zunächst nur jungen Männern in den Sommerferien bis zu sechswöchige Berufsfindungskurse angeboten. Auto-Reparieren, Roboter bauen, Film- und Theatergruppen und vieles mehr in einer kleinen Zeltstadt, in der es an nichts mangelte.

Am ersten Tag sind nur zehn junge Männer gekommen, nach kurzer Zeit aber wurde das Camp zu einem Riesenerfolg. Auch eine Art von Entwicklung, gelangweilten Söhnen reicher Eltern den Sommer mit einem Aktiv-Programm, bei dem sie gefordert wurden und auch gefördert, zu versüßen. Das Camp ist auch heute noch fester Bestandteil im Sommerprogramm saudi-emiratischer Jugendlicher. Als dann auch Mädchen anklopften, ganz vorsichtig natürlich, wurden auch Schmink- und Kosmetikkurse angeboten. Einige der jungen Damen soll es aber lieber zum Auto-Reparatur-Kurs gezogen haben. Ein erster Ansatz von Frauen-Emanzipation?

Aus dem steinreichen Abu Dhabi wechselte Martin Homola dann ins bettelarme Bolivien, wo er drei Jahre lang Landesdirektor war. Eine Stabsstelle in Berlin war für etwas über ein Jahr sein nächster Posten. Homola leitete das Programmbüro Internationale Klimaschutzinitiative des Bundesministeriums für Umwelt (BMU) und der GTZ, bevor der Ruf nach Georgien kam.

Vielleicht ist es nach zwei Jahren zu früh, ein Fazit zu ziehen. Aber Homola macht die Arbeit hier Spaß, vor allem, weil er selten hat er in einer Region gearbeitet hat, in der die Auswirkungen der Beratung so deutlich spürbar sind wie im Südkaukasus. In Bolivien gab es  zum Beispiel im Rechtsberatungsprojekt mittlerweile sehr viele Rückschritte. Zu seinem Abschied wurde er noch vom Präsidenten des obersten Gerichtshofs mit der Simon-Bolivar-Medaille ausgezeichnet, der höchsten Auszeichnung des Landes. Im Kaukasus ist die Situation anders. Gerade auf dem Gebiet der Rechtsberatung hat die Arbeit der GIZ deutlich positivere Spuren hinterlassen.

Eine kleine Rückblende: Vor zwei Jahrzehnten kollabierte die Sowjetunion, ihre Republiken machten sich auf den Weg in die Unabhängigkeit, der gleichbedeutend sein sollte mit Demokratie, Marktwirtschaft und Rechtsstaat. Die damals real existierende Justiz spielte dabei alles andere als eine hehre Rolle. Sie war gefangen in einem selbst gesponnenen Netz von Korruption und Unfähigkeit, eine schwere Erblast des früher allmächtigen Sowjetstaats. Streitigkeiten des Alltags wurden nur selten der staatlichen Justiz vorgetragen, man wandte sich an die so genannten „gesetzlichen Diebe“, das waren kriminelle Stadtteil-Patrone mit langjähriger Knast-Karriere, die „Recht sprachen“auf ihre Art freilich –  und die auch die Macht hatten, ihren „Schiedsspruch“ durchzusetzen, selbstverständlich auch auf ihre spezielle Art. Wer die staatliche Justiz anrief, hatte angesichts dieser Schattenjustiz, deren Vertreter es gelegentlich bis in höchste Staatsämter brachten, verloren.

Heute tragen Zivilrecht, Verwaltungsrecht und Verfassung deutlich die Handschrift deutscher Experten. Eine Entwicklung, die für Homola unumkehrbar ist. Ein Beispiel von vielen: Im Jahr 2010 ernannte der armenische Staatspräsident mit Hrayr Tovmasjan einen neuen, partei-unabhängigen Justizminister, der nicht aus dem Staatsapparat kommt. Er war – wie auch sein neu ernannter Stellvertreter Grigor Muradjan – seit Jahren Mitarbeiter im GIZ-Rechtsreformvorhaben in Eriwan und hat jetzt die Chance, an entscheidender Stelle für weitere Schritte in Richtung Rechtsstaat zu sorgen. Auch am Erfolg oder Misserfolg dieser politischen Mission wird sich zeigen, wie ernst es die staatlichen Strukturen mit ihrem Postulat nach Rechtsstaat und internationalen Standards wirklich meinen. Auch in der Beratung der georgischen Kontrollkammer sieht Homola nennenswerte Fortschritte.

Ein anderes Beispiel, die Bürgerbüros in georgischen Kommunen. In 15 Städten wurden diese Büros mit Hilfe der GIZ eingerichtet und das Personal ausgebildet. Für Bürgerinnen und Bürger eine wichtige Anlaufstelle. Die Anfragen reichen von Problemen lediger Mütter bis zu Unternehmensgründungen. Die Bürgerbüros helfen, sich im Behördendschungel zurecht zu finden.

Oder das Aufforstungsprogramm in Dedoplistskaro, in der GIZ-Fachsprache „Nachhaltige Bewirtschaftung der Biodiversität im Südkaukasus“ genannt. Neben umfangreichen Neunpflanzungen wurde eine Baumschule rehabilitiert, die mittlerweile ganz Georgien mit Jungpflanzen beliefert. Bauern aus Hessen haben den örtlichen Landwirten gezeigt, wie man einen total ausgelaugten und toten Boden wieder mit Bodenleben reaktiviert. Im völlig heruntergekommen Weizenanbau von Dedoplistskaro, auf dem lediglich zwei Tonnen pro Hektar geerntet wurden, liegt man jetzt schon bei 4,5 Tonnen, das Ziel liegt bei acht Tonnen. Die Landwirte von Dedoplistskaro haben mittlerweile eine Art Kooperative gegründet und Dieter Müller, GIZ-Projekteiter vor Ort, wurde gar zum Ehrenbürger der Stadt ernannt.

Ob es auch Flopps gegeben hat in den letzten Jahren? Ganz sicher. Zum Beispiel  war die Wirtschaftsberatung wohl falsch angelegt. Wirtschaftsberatung meint in diesem Falle die Förderung kleiner und mittelständischer Unternehmen, denen man partout einen Zugang zu europäischen Märkten verschaffen wollte. Dazu passen, so Martin Homola, einfach die Rahmenbedingungen nicht. Das Land wurde nach der Sowjetzeit mit seinen damaligen technischen Standards schutzlos den Mechanismen des Weltmarktes ausgeliefert, womit er vor allem den Import meint. In einer solchen Situation, überschwemmt von Gütern des alltäglichen Gebrauchs aus aller Welt, vor allem Nahrungsmittel, lässt sich keine konkurrenzfähige Produktion aufbauen. Da hätten auch die westlichen Geber-Länder mit ihrer Beratung einen falschen Ansatz verfolgt. Besser wäre es gewesen, erst einmal den Binnenmarkt zu schützen und dessen Produktion aufzubauen, zumal sich das Land keine soziale Absicherung für Unterprivilegierte leistet.

Die Zukunft der GIZ-Arbeit sieht Homola eher nicht in der klassischen Entwicklungszusammenarbeit. Deutschland ist für Georgien der wichtigste Partner, wenn es um das große Ziel der europäischen Integration geht. Deshalb wird sich die GIZ in Zukunft verstärkt um die Twinning-Projekte der EU bemühen, mit denen das Land für eine künftige Integration in Europa ertüchtigt werden soll.