KaPost-aktuell: Der Parlamentspräsident und die Unabhängigkeit der Abgeordneten

Heftiger Streit in der Regierungsmehrheit zum Jahreswechsel

Wie weit Georgien aller Regierungs-amtlicher Lippenbekenntnisse zum Trotz noch immer von europäischen Wertvorstellungen entfernt ist, zeigt sich wieder einmal in diesen Tagen. Die Vorsitzende des Rechtsausschusses des georgischen Parlaments, Eka Beselia, hat ihren Posten niedergelegt aus Protest gegen die Vorgänge bei der Besetzung von hohen Richterstellen. Anscheinend war sie mit den von der Parteiführung vorgegebenen Personalvorschlägen nicht einverstanden. Prompt wurde sie vom Parlamentsvorsitzenden Irakli Kobakhidse in die Schranken verwiesen, indem er die altgediente Parlamentierin an ihre Loyalitätspflichten erinnerte. Kobakhidse wörtlich: „Es gibt nur ein (Regierungs-)Team, geführt von Bidsina Iwanischwili. Ich rate niemandem, sich gegen dieses Team zu stellen.“ Worte des Präsidenten der obersten Legislative Georgiens, der sich aber immer wieder eher als Vorsitzender und Einpeitscher der Mehrheitsfraktion vom Georgischen Traum versteht.

Bidsina Iwanischwili ist der Gründer der Partei vom Georgischen Traum und – nach Jahren höchst zweifelhafter Aktivitäten im Hintergrund – wieder deren Vorsitzender. Allerdings ohne jedes öffentliche Mandat, weder in Parlament noch in Regierung. Kobakhidse, der jugendliche Parlamentspräsident und offensichtlich der verlängerte Arm des Partei-Patriarchen,  hat ausgerechnet in der Bundesrepublik Jura studiert. Vielleicht können ihn seine Lehrer und Kommilitonen von damals daran erinnern, was zum Beispiel das deutsche Grundgesetz zum Thema Abgeordnete sagt: “Abgeordnete sind nur ihrem Gewissen verpflichtet und an keinerlei Weisungen gebunden.“ Während Parlamentspräsidenten in europäischen Demokratien es meist als ihre höchste Aufgabe ansehen, Parlamentsmitglieder gegen unangemessene Beeinflussung zu verteidigen, scheint der georgische Parlamentspräsident – immerhin der Vertreter eines Verfassungsorgans – genau das Gegenteil zu tun, wenn er Parlamentarier der Mehrheitsfraktion droht: „Wir werden versuchen, jedermann zu erklären, welches die Regeln sind, die nicht verletzt werden dürfen. Wenn jemand die Team-Regeln verletzt, müssen wir reagieren.“ Gemeint sind die Regeln der Mehrheitspartei, die sich wohl eher als „Einheitspartei“ versteht, weniger die Regeln der Verfassung.

Nach den jüngsten Meldungen der Silvesternacht scheint Eka Beselia allerdings nicht unbedingt beeindruckt zu sein von den Interventionen Kobakhidses. Das Neue Jahr beginnt für den Georgischen Traum mit erheblichen Grabenkämpfen hinter den Kulissen.