Kommt er oder kommt er nicht zurück?

Diskussionen um die künftige Rolle von Bidzina Iwanischwili

Der Mann, dessen Verdienst es zweifelsohne ist, vor drei Jahren mit einer auf ihn zugeschnittenen und von ihm geführten Koalition die Regierung Saakaschwili abgelöst zu haben, gibt der politischen Öffentlichkeit in Tiflis immer wieder neue Rätsel auf, obwohl er schon seit zwei Jahren, seit seinem Rücktritt vom Amt des Premierministers, nur noch das Leben eines einfachen Bürgers führen wollte. Immer wieder mischte er sich mit ungewöhnlichen Stellungnahmen ins politische Geschehen ein und die Gerüchte wollen bis heute nicht verstummen, er führe von seinem futuristischen Glaspalast hoch über Tiflis nach wie vor die Regierungsgeschäfte, informell zwar, aber mit großem Einfluss in fast allen Ministerien. Jedenfalls sieht man bei dem großen Mann im Hintergrund gelegentlich ministerielle Wagenkolonnen vorfahren zu der einen oder anderen informellen Kabinettsrunde.

Seit einigen Tagen zerbrechen sich verschiedene Politiker der Koalition den Kopf über die Frage, ob Bidzina bei den im Herbst 2016 anstehenden Parlamentswahlen wieder ins politische Rampenlicht zurückkehrt und die Führung der in der Wählergunst schwer angeschlagenen Koalition übernimmt. Der stellvertretende Parlamentspräsident Swiad Dsidsiguri und Energieminister Kacha Kaladse, auch stellvertretender Ministerpräsident, hatten diese Spekulationen angeheizt. Andere führende Koalitionspolitiker wie Giorgi Volski  und Parlamentspräsident Davit Usupaschwili hielten dagegen. Usupaschwili erklärte, er kenne die Position Iwanischwilis, der als Bürger zwar bereit sei, politische Verantwortung zu übernehmen, wenn er die Notwendigkeit sehe. „Aber ich weiß, Iwanischwili sieht diese Notwendigkeit derzeit nicht, deshalb muss sich die Koalition auf einen Wahlkampf ohne die politische Führung Iwanischwilis einrichten.“

Die konfuse Diskussion im Regierungslager ist wohl die Folge wachsender Nervosität. Die Umfragewerte sind im Keller (siehe November-Ausgabe der KaPost) und nirgends ist eine charismatische politische Figur erkennbar, die als Spitzenkandidat für die Regierungskoalition in den Wahlkampf ziehen könnte. Der mehr als blasse Premierminister Irakli Garibaschwili spielt in diesen Diskussionen noch nicht einmal eine Nebenrolle.

In die Parteienlandschaft Georgiens ist allerdings Bewegung geraten. Prominentester Neuzugang im politischen Geschäft dürfte Paata Burdschuladze sein, ein bekannter Opernsänger, gefeiert auf allen Bühnen, in vielen Konzertsälen der Welt. Ende November gründete der 60-jährige in Tiflis die Georgische Entwicklungs-Stiftung und erklärte zu diesem Anlass, er habe alle Konzerttermine für das Jahr 2016 abgesagt, um sich – im Wahljahr – voll und ganz dieser Stiftung zu widmen. Eingeweihte wollen wissen, dass er beim zuständigen Gericht bereits die Umwandlung der Stiftung in eine Partei beantragt habe. Jedenfalls bestätigt Burdschuladze die Gerüchte, er habe mit Iwanischwili und dem Oppositionspolitiker Alassania vertrauliche Gespräche geführt. Er spreche eigentlich mit jedem. Angesprochen auf eine mögliche politische Karriere wollte er allerdings weder ja noch nein sagen.

Burdschuladze ist in Georgien vor allem als Wohltäter bekannt, der sich mit seiner Stiftung Iavnana seit mehr als einem Jahrzehnt um die Förderung von Waisenkindern bemühte. Für Beobachter ein Deja-vu-Erlebnis. Vor vier Jahren kam Bidzina Iwanischwili, vorher ebenfalls nur bekannt als Philanthrop im Hintergrund, in die politische Szene und befriedigte das georgische Bedürfnis nach einer Lichtgestalt in der politischen Führung. Kann es sein, dass Burdschuladze genau diese Rolle zu spielen gedenkt und angesichts des rapiden Vertrauensschwundes für die gesamte politische Klasse beim Wählervolk die Unzufriedenen mit seinem makellosen Image als Künstler und georgischer Gutmensch hinter sich scharen möchte? Nicht ausgeschlossen. Und nicht ausgeschlossen ist auch, dass er diese Mission in parteipolitischer Unabhängigkeit unternimmt, aber heute schon Koalitionszusagen für die Zeit nach der Wahl gegeben hat. Dass er mit Iwanischwili gesprochen hat, wird jedenfalls so gedeutet.

Dass führende Mitglieder der Regierungskoalition auch daran denken, die derzeit vielleicht stärkste Partei der nicht-parlamentarischen Opposition, die Georgischen Patrioten unter ihrer Führerin Irma Inaschwili, in das Regierungsbündnis aufzunehmen, hat jüngst ausgerechnet ein Mitglied der Republikanischen Partei ausgeplaudert, Lewan Berdzenischwili. Mit einer solchen Partei-Rochade, sollte sie einer langfristigen Strategie im Hintergrund entspringen, wäre das Überleben der Republikaner in der Koalition kaum vorstellbar, ein Szenario, das Politiker des Georgischen Traums schon vor mehr als einem Jahr verfolgten, als sie die Republikaner aufforderten, die Koalition zu verlassen.

Die Bewegungen in der Parteien-Landschaft, sollten sie tatsächlich Teil einer langfristigen Wahlkampf-Regie sein, deuten darauf hin, dass der Mann im Hintergrund, Bidzina Iwanischwili, wohl mit mehreren Optionen spielen kann, um seiner Partei die Regierungsmehrheit zu erhalten. Denn sonst müsste er eigentlich erkennen, dass er sich der Notwendigkeit, wieder in die öffentlich transparente politische Führung des Georgischen Traums zurückzukehren, kaum mehr entziehen kann.