Genscher lesen und verstehen

Ein Kommentar von Rainer Kaufmann

In der Hektik der Ukraine-Krise tut die aktuelle Wortmeldung von Hans-Dietrich Genscher wirklich gut. Als einer der Architekten von KSZE und OSZE und damit der europäischen Sicherheitsstrukturen der letzten 25 Jahre erinnert Genscher an Zeiten, in denen die NATO in Sachen Russland ganz anders aufgestellt war. Er erinnert daran, dass Wladimir Putin, der sich heute zweifellos als der große Schurke auf dem europäischen Parkett aufführt, einmal als der „europäischste“ Führer, den Russland je hatte, vom Deutschen Bundestag mit standing ovations gefeiert wurde. Und er stellt die Frage, was seither geschehen ist, was sich verändert hat, damit Putin sich so verändern konnte. Selbstkritische Fragen, der sich Europa und NATO, was die Entstehung der Ukraine-Krise angeht, nicht entziehen dürfen. Der NATO-Gipfel von Wales hat einerseits die Politik der offenen Tür der NATO nicht beendet, wenngleich diese Tür derzeit nicht geöffnet wird. Er hat aber auch den Dialog mit Russland nicht für beendet erklärt. Im Gegenteil. Es gibt eine neue Chance, der historisch einmaligen Entwicklung einer gesamt-europäischen Sicherheitspartnerschaft vielleicht doch noch neues Leben einzuhauchen. Wenn es in der europäischen Außenpolitik heute noch Leute wie Genscher und Harmel gäbe……