Wird der georgische Generalstaatsanwalt abgeschoben?

Die Intervention Manuel Barrosos in die georgische Justiz und ihre möglichen Folgen

Er könne die Informationen, ob er zum Chef der Kontrollkammer ernannt würde, weder bestätigen noch dementieren, antwortete Archil Kbilaschwili, der georgische Generalstaatsanwalt, auf Fragen von Journalisten. „Meine Position ist keine politische, sie ist aber von politischer Bedeutung. Deshalb kann es sein, dass sie Gegenstand einer politischen Diskussion wird, wenn der neue Präsident und der neue Premier im Amt sind. In ein paar Tagen werden all diese Fragen beantwortet.“ Eine kryptische Aussage, die vermuten lässt, dass der Generalstaatsanwalt möglicherweise zur Disposition steht.

Der georgische Chefankläger steht unter politischem Druck vor allem aus Brüssel. Während des Besuchs von Mikhail Saakaschwili bei EU-Ratspräsident Manuel Barroso hatte dieser die georgische Regierung recht unvermittelt davor gewarnt, nach Ende der Amtszeit rechtliche Schritte gegen den scheidenden Präsidenten zu einzuleiten. Dies könne, siehe der Fall Ukraine und Timoschenko, erhebliche Auswirkungen auf das Assoziierungsabkommen zwischen Georgien und der EU auf dem EU-Nachbarschaftsgipfel in Vilnius haben. Ein politischer Erpressungsversuch? Oder gar eine Aufforderung an die georgische Regierung, den Generalstaatsanwalt an der unabhängigen Ausübung seines Amtes zu hindern? Anders gefragt: Wenn der Generalstaatsanwalt sich diesem Druck beugt und Ermittlungen einstellt, macht er sich dann nicht einer Strafvereitelung im Amte schuldig? Ist das im Sinne einer europäischen Rechtsordnung, die zu lernen und zu erfahren eben dieser Generalstaatsanwalt gerade auf Einladung der Bundesregierung in Berlin und Karlsruhe, der Residenz deutschen Rechts, weilte? Europa spricht mit vielen Zungen.

Während des Präsidentenwahlkampfes hatte auch Premier Bidsina Iwanischwili die Diskussion angeheizt. Mehrfach hatte er angedeutet, dass es nach Ende der Amtszeit Saakaschwilis Gründe geben könnte, ihn im Zusammenhang mit verschiedenen Untersuchungen, die beim Generalstaatsanwalt anhängig sind, zu Befragungen vorzuladen. Auch dies ein rechtsstaatlich zumindest bedenkliches Verhalten. Es ist allein Sache der Justiz, darüber zu befinden, wie sie ihre Untersuchungen gestaltet. Regierungsvertreter und Politiker nehmen normalerweise keine Stellung zu schwebenden Verfahren, wenn sie die Unabhängigkeit ihrer Justiz ernst nehmen.

Der Druck auf Archil Kbilaschwili hat anscheinend erste Wirkung gezeigt. Wohl um den Gipfel von Vilnius nicht zu belasten, hat er am Tag nach Barrosos Einlassung in einer TV-Talkshow erklärt, es gäbe nach dem derzeitigen Sachstand keine Notwendigkeit, Mikhail Saakaschwili in irgendeinem Fall zu einer Vernehmung vorzuladen. Aber er könne die Möglichkeit nicht ausschließen, dass Saakaschwili doch noch involviert sein könnte, wenn es Erkenntnisse gäbe in „einem Verbrechen von Korruption oder politischer Natur“. Fragt sich nur, ob der heutige Chefankläger dann noch im Amt ist oder durch einen ersetzt wird, der die politische Bedeutung seines Amtes über die juristische stellt.

Rainer Kaufmann