Männerfreundschaft auf georgisch

Oder: Wie sich die Kohabitation im Alltag bewährt

Sie ist längst eine deutsche politische Legende, die Männerfreundschaft zwischen Helmut Kohl und Franz-Josef Strauß, die bayerisch-pfälzische Kohabition innerhalb der christlichen Schwesterparteien. Unterhaltung pur für alle Chronisten dieser Zeit. Gegen die beiden Kohabitionäre Saakaschwili und Iwanischwili aber waren die Altmeister der deutschen Politikfolklore nur kleine Lichter. Mischa und Bidsina, wie sie von ihren Fans jeweils vertraulich genannt werden, inszenieren in diesen Tagen wirklich großes Kino, wobei es von der jeweiligen Parteienpräferenz abhängt, wer da als komischer oder wer als ehrenhafter Held agiert.

Der Neue an der Macht lässt keinen Versuch aus, den Alten mit Nadelstichen fast zur Verzweiflung zu bringen, während sein Vorgänger als zentrale Führerfigur keine Chance auslässt, sich in TV-Statements in die aktuelle Tagespolitik einzumischen. Als russische Hygiene-Inspektoren, sogar vom Patriarchen empfangen, georgische Weingüter auf ihre Importauglichkeit nach Russland überprüften, polterte Saakaschwili munter drauf los und beschimpfte die georgische Weinwirtschaft mehr oder weniger deutlich, des Okkupanten Speichel zu lecken. Georgische Produkte bedürfen keiner Überprüfung durch Fremde, wobei anzufügen wäre, dass die georgische Lebensmittelüberachung sich nicht gerade durch eine höhere Effizienz auszeichnet, sofern es eine solche überhaupt noch gibt. Die Hygieneprüfung stand auf der Kippe, die Russen drohten, angesichts der präsidialen Einmischung abzureisen. Wer weiß, ob sie das wirklich gemacht hätten, hätten sie nicht zuvor den Segen des Patriarchen bekommen, der Auorität im Lande, die hinter den Kulissen das eine oder andere noch richten kann.

Ein zweiter profiliert sich derzeit ebenfalls als eine Art Oberschiedsrichter zwischen den Streithähnen, der amerikanische Botschafter Richard Norland. Kaum ein Tag vergeht, an dem er nicht in öffentlichen Auftritten mitteilen würde, Saakaschwili und Iwanischwili hätten ihm wiederholt versprochen, friedlich-schiedlich zusammen zu arbeiten und nach vernünftigen Lösungen in praktischen Fragen zu suchen. Bei einer Privataudienz hat er auch dem Patriarchen diese frohe Botschaft überbracht.

Im fernen Brüssel versuchte Saakaschwilis UNM zusammen mit der Europäischen Volkspartei, in eine Georgien-Resolution der Parlamentarischen Versammlung einen Passus aufnehmen zu lassen, in dem die georgische Regierung wegen der Vorfälle um die Nationalbibliothek gerügt wurde, wo es zu einem nicht unbedingt nennenswerten Handgemenge zwischen UNM-Politikern und Demonstranten aus der Ecke der ehemaligen politischen Gefangenen gekommen war. Als die Regierung Saakaschwili vor Jahren große Demonstrationen der Opposition brutal auseinandergeschlagen ließ, hat sich Europa kaum darum gekümmert. Die Parlamentarier des Georgischen Traums konnten über ihre Kontakte und über einen Einspruch der Grünen und Sozialisten die Annahme der gesamten Resolution verweigern. Reaktion des Präsidenten: Zum ersten Mal ist eine Georgien-Resolution in Europa gescheitert. Europa wirds verkraften, denn Europa kann vieles gebrauchen, nur nicht georgischen Bruderzwist, ausgetragen in Brüssel.

Gänzlich grotesk ist das Gerangel um den Personenschutz des Präsidenten. Über dreitausend Mann hatte der Präsident beschäftigt, um sich, seine Residenzen und seine Regierung vor etwaigen Anschlägen zu schützen. Sie unterstanden alle dem Präsidialamt. Die neue Regierung hat die Zuständigkeit für den Personenschutz zunächst einmal vom Präsidialamt zur Staatskanzlei und damit zum Regierungschef verlagert. Der Präsident sollte einen eigenen, rund 350 Mann starken Personenschutz unter seinem Kommando behalten. Anscheinend aber wollte keiner der staatlichen Personenschützer in die „Leibgarde“ des Präsidenten wechseln, jedenfalls behaupten dies Regierungskreise. Um das alles auf die Spitze zu treiben, hat Iwanischwili den Chef seiner privaten Security zum Chef des staatlichen Personenschutzes ernannt. Da der Präsident derzeit keinen eigenen Personenschutz mehr hat und es ablehnt, sich dem Personenschutz der Regierung anzuvertrauen, steuerte er höchstpersönlich und bar jeden Personenschutzes einem Privatwagen zum Flughafen, als er kürzlich nach Baku flog, begleitet von Ehefrau Sandra. Staatsbesuch, wobei allerdings nicht unerwähnt bleiben darf, dass der Frau des Präsidenten eine satte Beteiligung am Georgien-Ableger der aserbaidschanischen Ölgesellschaft SOCAR nachgesagt wird.

Reaktion des Regierungslagers: Es sei Sache des Staates, einen Präsidenten zu schützen und wenn dieser ohne Personenschutz durchs Land reise, verletze er die Gesetze und schickt flugs eine Begleiteskorte an den Flughafen, als dieser aus Baku zurückgekommen war. Seine Reaktion: Zirkus, das ganze.

Ob die georgische Männerfreundschaft genügend Kondition besitzt, dieses Schauspiel zur Belustigung ihrer Bürger bis Oktober, dem Ende der Amtszeit Saakaschwilis durchzustehen? Zweifel sind durchaus erlaubt. Oder kommt es vielleicht doch noch, wie weiland bei Strauß und Kohl, zu einer gemeinsamen Bergwanderung? Und wer ist dann für den Personenschutz der beiden zuständig?

Rainer Kaufmann