Staatsaffäre oder Soap? – Der Reisepass des früheren Innenministers

Vorgeschichte: Am 30. November besuchte Georgiens Staatspräsident Micheil Saakaschwili in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Vereinigten Nationalen Bewegung (UNM) ein Treffen der Europäischen Volkspartei (EVP) mit Parteichefs der Länder der Osteuropa-Partnerschaft der EU. Eingeladen waren die Vorsitzenden der Parteien, die Mitglieder der EVP sind oder Beobachter-Status haben. Höchster Gast war EU-Ratspräsident Manuel Barroso. Die georgische UNM hat bei der EVP Beobachterstatus. Saakaschwili hatte zu dem als EVP-Gipfel bezeichneten Treffen seinen Partei-Sekretär Wano Merabischwili mitgebracht, früher Innenminister in Georgien, zum Schluß Premierminister. Das Treffen von Eriwan, das eigentlich nicht besonders beachtet wurde, hat in Tiflis allerdings größere Aufregungen verursacht, die wir im folgenden anhand von Agentur-Meldungen dokumentieren. Wenn nicht anders vermerkt, stammen die Meldungen von der georgischen Nachrichten-Agentur Inter Press News/IPN – www.ipn.ge. (Übersetzung: KaPost)

 Der richtige Pass des früheren Innenminister?

 

Stellungnahme des Ministeriums für Innere Angelegenheiten vom 1. Dezember 2012:

Am 30. November 2012 errschien der (frühere, Anm. d.R.) Premierminister von Georgien, Ivane (landläufig: Wano, Anm.d.R.) Merabischwili am International Airport Tbilisi zusammen mit einer staatlichen Delegation mit dem Vorhaben, nach Eriwan/Armenien zu fliegen. Zur Passkontrolle hat ein Mitarbeiter des Protokolldienstes den Pass von Ivane Merabischwili vorgelegt. Bei der gesetzlich vorgeschriebenen Passkontrolle fiel dem Grenzpolizei-Offizier auf, dass der vorgelegte Pass mit dem Foto Ivane Merabischwilis auf den Namen Levan Maisuradze ausgestellt war.
Aus diesem Grunde wurde vom Ermittlungsdienst der Patrol Police Mzcheta-Tianeti eine Untersuchung wegen des Verdachts der Verwendung eines gefälschten Dokuments sowie des Versuchs des illegalen Grenzübertritts eröffnet.
Um den Besuch der staatlichen Delegation nicht zu behindern, wurde Ivane Merabischwili zugestanden, seinen echten Pass später vorzulegen. Es wurden auch keine unmittelbaren rechtlichen Schritte gegen ihn vorgenommen.
Am selben Tag hat Ivane Merabischwili nach Rückkehr aus Eriwan den International Airport Tbilisi mit der Eskorte der staatlichen Delegation verlassen, sodass die gesetzlich vorgeschriebenen Ermittlungen nicht mehr durchgeführt werden konnten.
Im Zusammenhang mit dem oben erwähnten Fall wird Ivane Merabischwili am heutigen Tag vorgeladen und vernommen werden.

Quellen:  http:///www.civil.ge/eng/article.php?id=25499 –  http://www.civil.ge/eng/article.php?id=25501 –  http://www.civil.ge/eng/article.php?id=25502

 

Nachfolgend jetzt die Agenturmeldungen des gestrigen Tages (1. Dezember)

 

„Wano Merabischwili ist einer der erfolgreichsten politischen Führer Georgiens.“

Nach einer Information des georgischen Präsidialamtes erklärte Präsident Micheil Saakaschwili nach dem gestrigen Gipfel in Eriwan: „Wano Merabischwili, der Generalsekretär unserer Partei, ist ebenfalls hier und hat an allen Gesprächen teilgenommen, auch an dem Vier-Augen-Gespräch mit Manuel Barroso. Er ist einer der erfolgreichsten politischen Führer Georgiens. Die derzeitige Periode ist für Georgien entscheidend und Europa ist der sicherste Platz für uns. Wir sind nicht Mitglied der GUS und haben uns für eine andere Richtung entschieden. Das ist der Traum für mich und meine Partei: Integration in Europa.“

 

Untersuchung gegen Wano Merabischwili wegen Verdachts auf Verwendung gefälschter Dokumente und des Versuchs eines illegalen Grenzübertritts eingeleitet.

Am 1. Dezember bestätigte das Innenministerium, dass eine offizielle Untersuchung gegen Wano Merabischwili wegen der Vorfälle vom Vortag eingeleitet wurde.

 

Wano Merabischwili: „Stellungnahme des Innenministeriums absurd“

Der ehemalige Premierminister Vano Merabischwili erklärte auf einer Pressekonfrenz am 1. Dezember: „Die Regierung versucht ernsthaft, die Gesellschaft zu überzeugen, dass ich gestern zusammen mit einer staatlichen Delegation das Land mit einem gefälschten Pass verlassen wollte. Jeder weiß, dass diese Regierung versucht, jederman einzuschüchtern und zu inhaftieren. Aber, was sie heute sagt, ist unterste Schublade.“ Merabischwili erklärte außerdem, die  laufenden Entwicklungen würden dem Land schaden. Hohen Beamten würden Waffen untergejubelt, um sie festzuhalten. „Es ist ein Problem für die gesamte Gesellschaft „, sagte Merabischwili, der auf Fragen von Journalisten zu seinem Fall keine Aussagen machte.

 

Wano Merabischwili zum Verhör im Innenministerium erschienen

Der ehemalige Innenminister Wano Merabischwili ist in Begleitung seiner Sicherheitsleute am Abend im Innenministerium eingetroffen. Vor dem Betreten des Gebäudes sagte er vor Journalisten, er sei bereit, jede Frage zu beantworten. Er versicherte Bidsina Iwanischwili und seinem Team, er selbst werde trotz Erpressung und Druck den Kampf für die Wahrheit und für das Land nicht aufgeben. Angaben zu seinem Fall machte er trotz Nachfragen von Journalisten nicht.

Befragung von Wano Merabischwili beendet

Der ehemalige Innen- und Premierminister Wano Merabischwili hat das Gebäude des Ministeriums für Innere Angelegenheiten verlassen, nachdem er dort wegen der Vorkommnisse vom Vortag befragt worden war. Er gab beim Verlassen  des Gebäudes keinen Kommentar zu den Fragen, die ihm gestellt wurden. Er wollte auch nicht über das Motiv der Befragung reden.  Es tue ihm aber leid, dass die neue Regierung das Ministerium für Innere Angelegenheiten in eine Repressions-Maschinerie gegen die Opposition verwandelt habe.
Einige junge Leute warteten vor dem Gebäude auf Merabischwili und riefen „Wano ist Mörder“ und „Wano ins Gefängnis“.

 

Saakaschwili: „Erfindung einer kranken Phantasie“

Präsident Micheil Saakaschwili hat am 1. Dezember auf seiner offiziellen Facebook-Webseite eine Erklärung zu den Ermittlungen gegen Wano Merabischwili abgegeben: „Wano Merabischwili war als Generalsekretär der Partei Mitglied der Delegation der Vereinten Nationalen Bewegung. Er nahm an allen offiziellen Sitzungen teil, einschließlich des langen Vier-Augen-Gesprächs mit dem Präsidenten der Europäischen Kommission. Die jüngste Geschichte über ihn wurde von einer kranken Phantasie erfunden. Die Tatsache, dass der Innenminister würde einen gefälschten Pass benutzen, ist so absurd, dass es sogar schwierig ist, einen Kommentar dazu abzugeben.“ Saakasch unterstütze nach wie vor die Prinzipien einer demokratischen Regierungsführung, äußert aber seine Besorgnis über politische Verfolgungen. „Darüber hinaus hoffe ich ausdrücken, dass diese absurde Untersuchung gestoppt wird. Die georgische Gesellschaft verdient mehr Respekt.“

 

Die Untersuchungen gehen weiter und werden ausgeweitet 

Das georgische Innenministerium veröffentlichte am 2. Dezember eine Stellungnahme zu der Vernehmung von Wano Merabischwili: Im Rahmen der Untersuchung wegen des Verdachts auf Versuch eines  illegalen Grenzübertritts mit gefälschten Dokumenten wurde der ehemalige Premierminister Ivane Merabischwili als Zeuge befragt. Merabischwili kam zur Befragung, zeigte sich aber nicht kooperativ. Er wich Fragen aus, seine Aussagen waren sehr oberflächlich und umstritten. Er versuchte, die durch die Untersuchung einwandfrei festgestellten Tatsachen zu leugnen. Die Untersuchung wird fortgesetzt. Es werden alle Menschen, an die im Zusammenhang mit diesem Fall Fragen zu stellen sind, vernommen werden, einschließlich der Mitarbeiter der Präsidialverwaltung und des ehemaligen Premierminister Ivane Merabischwili.“

 

Es bleiben derzeit vor allem zwei Fragen:

1. Wieviele Reisepässe darf ein ehemaliger Innenminister haben?
2. Ist die Delegation einer Partei, die zu einem internationalen Treffen befreundeter Parteien fliegt, eine staatliche Delegation?

Wir werden Sie, soweit möglich, immer auf dem neuesten Stand dieser georgischen Staatsaffaire halten.