RAINwurf

Wahlen in Georgien haben seit 20 Jahren vor allem ein Gesetz: Es gibt vor, während und nach den Wahlen kein noch so abstruses Gerücht, das es nicht wert wäre, geglaubt zu werden. Vorgetragen und weitergegeben von Menschen, die außerhalb der Wahlzeiten durchaus glaubwürdige Gesprächspartner sein können. Wahlzeit in Georgien – ein Thema für psychosoziologische Massenuntersuchungen, ein Land, eigentlich reif für die Couch. Das war bei Schewardnadse so und bei Saakaschwilis Wahlerfolgen. Warum hätte es diesmal anders sein sollen?

Natürlich standen die Russen im Nordkaukasus schon mit Truppen bereit, um einzumarschieren, wenn Iwanischwili die Wahl verloren hätte. Ein Russland-freundliches Not-Kabinett Iwanischwilis soll in Südossetien schon für den Einzug nach Tiflis bereit gestanden haben. Natürlich hatte Saakaschwili seinerseits das Notstandsdekret vorsorglich schon einmal abgezeichnet, sollte Iwanischwili die Wahl gewinnen. Mitarbeiter erklärten wenige Tage vor der Wahl, sie würden am Tag nach dem Urnengang vermutlich nicht zur Arbeit kommen können wegen der zu erwartenden Unruhen. Geschäftsreisen nach Georgien wurden abgesagt, der Tag der Deutschen Einheit in der deutschen Schule auf den Wahltag vorverlegt, Botschaft und andere Institutionen am Wahltag vorsorglich geschlossen. Aus diplomatischen Krisensitzungen wurde per Newsletter berichtet, man warne vor der Gewaltbereitschaft vor allem der Opposition. Warum eigentlich nur der Opposition?

Das georgische Wahlsyndrom ist anscheinend doch ansteckend. Wie gut, dass die Wählerinnen und Wähler des Landes auf all diese Stimmungsmache die richtige Antwort gegeben haben. Und dass sie bis jetzt Ruhe und Würde gezeigt haben. Und dies bis hinauf in die höchsten Staatsämter.

Auch in den Tagen nach der Wahl: Die Gerüchteküche brodelt munter weiter. Stimmungsmacher aller Schattierungen haben Hochkonjunktur. Die schwarzen Gesellen aus der Schewardnadsezeit seien wieder zurück. Die Sicherheit im Lande sei gefährdet, Bestechung wieder an der Tagesordnung. „Wenn das jetzt schonlosgeht,…“ Woher auch immer diese „Informationen“ stammen, ihre Verursacher und Verbreiter vergessen eines: Für die Sicherheit im Lande ist noch immer die gewählte Regierung zuständig.