Mischa, der Erbauer

Holländisches Architektur-Magazin: Wie ein Politiker eine neue Bauepoche bestimmt    

„Eines Tages werden wir zurückblicken auf die Mischa-Periode in der georgischen Architektur“. Mit diesem Satz lässt sich der georgische Präsident Michael Saakaschwili in dem in Amsterdam erscheinenden Magazin „Mark – Another Architecture“ auf einer Strecke von insgesamt 28 Seiten plus Titel feiern. Mark befasst sich mit weltweiten Architekturtrends und erscheint in englischer Sprache. Der Grundsatz des Magazins lautet, dass Architektur, nach einer Periode der Abgeschiedenheit in Elfenbeintürmen, längst wieder in Form von Popkultur in der Mitte der Gesellschaft angelangt sei.

Gorgien also ein Hotspot einer neuen, poppigen und internationalen Architektur? Wer sich umschaut im Lande und in dem Architektur-Magazin, wird sich diesem Eindruck nicht entziehen können: Die Zollabfertigung in Sarpi, die Autobahnraststätten bei Gori, die lokale Verwaltung in Mestia samt Polizeiturm, das neue Parlament in Kutaissi und die umstrittene Friedensbrücke in Tiflis sind bereits fertig gestellt. Der Flughafen in Kutaissi, das Aquarium in Batumi und ein neues Konzert- und Ausstellungsgebäude auf dem Rike-Park in Tiflis werden folgen. Keine Frage, Mischa, wie er auch im holländischen Magazin vertraulich, liebevoll genannt wird, will als neuer Erbauer des Landes in den Geschichtsbüchern verewigt sein. Originalton Michael Saakaschwili: „Georgien erlebt eine Epoche der Wiederbelebung, wie es das Land seit 800 Jahren nicht gesehen hat.“ Kommentar Mark: „Es ist schwer, zu beweisen, dass er damit falsch liegt.“ Und: „Amerikanische Präsidenten bauen Bibliotheken Schulen oder Stadien, die ihren Namen tragen, wenn sie das Amt verlassen.“ Ist es Zufall, fragt Mark, dass Saakaschwilis Amtszeit im nächsten Jahr endet? Will sich Mischa vielleicht auf ähnliche Weise als Initiator des Neuaufbaus verewigen? Die Antwort liefert das Magazin selbst: „Das Merkwürdige an politischen Zeiten und architektonische Zeiten ist, das die Gebäude die Menschen überleben, die sie gebaut haben.“

Neues Polizeigebäude in Mestia

Den Präsidenten beschreibt Mark als einen großen Mann, der auf „Hoch-Oktan-Benzin“ läuft. Er verschlinge seine Mahlzeiten, während der Nachrichten verfasst, Telefongespräche abwickelt und seine Tischgenossen mit Anekdoten verwöhnt. „Er scheint oft an zwei Orten gleichzeitig sein, etwa bei der Eröffnung eines Krankenhauses in einem Teil des Landes, dann beim Skifahren auf der anderen Seite, und das nur wenige Minuten später. Wenn Georgien in einem gnadenlosen Tempo wieder aufgebaut wird, dann deshalb, weil Mischa nicht weiß, wie man es anders machen kann.“

Ein Mann, der nur ein Ziel habe, die Erbschaft der Sowjetunion zu überwinden und das Land in Europa zu integrieren. Diesem Ziel diene auch, was er als „Chefarchitekt“ des Landes, der in alle Projekte persönlich eingeweiht ist, auf die Wege gebracht hat und noch bringt, wobei Mark nicht vergisst, kryptisch anzumerken, man könne in einem Land wie Georgien nie sicher sein, ob der nächste Präsident diese Dinge tolerieren wird. Saakaschwilis Credo: „Die Sowjetunion war voll von grauen Straßen, bevölkert von grauen Menschen, die in grauen Gebäuden wohnten. Wir müssen wieder Farbe in das Leben von Georgien bringen. Ich sage immer, dass Diktaturen einfarbig sind, Demokratien dagegen wie ein Kaleidoskop.“ Sätze, die offensichtlich gedrechselt wurden, um auch in Hunderten von Jahren noch zitiert zu werden.

Ausführlich befasst sich Mark mit der Entwicklung der Schwarzmeerküste, insbesondere in Batumi, Anaklia und der Stadt-Vision Lazika.

Im Mai 2009, während Tausende von Menschen auf den Straßen von Tiflis den Rücktritt von Saakaschwili forderten, war Saakasschwili in Batumi zum ersten Spatenstich für das neue Opern- und Konzerthaus und habe den Menschen damals versprochen, Batumi zur schönsten Stadt an der Schwerzmeerküste zu verwandeln mit dem „schönsten Opernhaus in Europa, ein neues Barcelona in Georgien.“ Der Mark-Kommentar: „Sein Eifer hat manchmal etwas von Kühnheit.“

Ein paar Monate zuvor hatte er den Bau eines 130 Meter hohen „Alphabet-Turms“ in Batumi für 30 Millionen Dollar angekündigt und diesen, so Mark mit jungenhafter Begeisterung mit dem Eiffelturm in Paris verglichen. Ähnlich ehrgeizig ist auch das Anaklia-Projekt Saakaschwilis, von Mark als der dreisteste Plan des georgischen Präsidenten bewertet. Aus dem verschlafenen Dorf in den Sümpfen kurz vor der abchasischen Grenze, will er einen Badeort der Superlative aus dem Boden stampfen.

Und Lazika, die völlig neue Stadt am Schwarzen Meer, kommentiert Mark: „In einem Land von 4,5 Millionen Menschen eine neue Stadt für 500.000 Menschen zu bauen, könnte sich unter all den Monumenten, die er geschaffen hat, als der „Obelisk seiner größten architektonischen Torheit“ erweisen.

Mark beschäftigt sich auch mit den Kritikern des Präsidenten, die ihm eine enorme Verschwendungssucht angesichts der hohen Arbeitslosenzahlen vorwerfen. Saakaschwilis Abfuhr: „Das ist sowjetische Denkweise“. Denn die neuen Architektur im Lande symbolisiert den Weg in eine Zeit „zivilisierten Lebens“, wie Nino Lagidse, Direktorin des Architekturclubs in Tiflis ihrem Präsidenten bepflichtet. Dass es allenthalben Spott gibt für neue Gebäude, Brunnen und Denkmäler muss den Präsidenten nach Mark nicht unbedingt beunruhigen. Die neue Architektur sei Bestandteil von „Mischas kaleidoskopischer Demokratie“. Und während die beiden ersten Präsidenten der Post-Sowjet-Ära das Land ruiniert hätten, habe Mischa immerhin einiges gebaut.

Das geplante Ausstellungs- und Konzertzentrum im Rike-Park in Tiflis
Foto: MARK

Die Architekten der neuen Konzert- und Ausstellungshalle auf dem Rike-Park, Massimiliani und Doriana Fuksas, erklären den Auftrag, den sie erhalten haben, eine Architektur nämlich zu erschaffen, die symbolisch aufzeigt, dass diese „Gesellschaft die Vergangenheit hinter sich gelassen hat und sich in eine völlig neue Richtung bewegt.“ Die Konzert- und Ausstellungshalle soll im August dieses Jahres eröffnet werden.