Ein Marshallplan ohne Geld

Gerhard Laux erinnert sich an die Anfänge des georgischen Katasters

Gerhard Laux ist überrascht. Seit zwei Jahrzehnten hat er regelmäßig Tiflis besucht, selbst nach Ende des von ihm geleiteten Katasterprojekts kam er mindestens einmal im Jahr in die georgische Hauptstadt, deren Ehrenbürger er ist. Eigentlich sollte ihn nichts mehr überraschen können. Trotzdem: Gerhard Laux ist überrascht ob der regen Bautätigkeit in Tiflis und im ganzen Land. Das hat er in 20 Jahren Georgien-Erfahrung noch nie gesehen.

Unvorstellbar so ein Bauboom in seiner Heimatstadt Saabrücken: „Wir bräuchten doch mit den Genehmigungen viel zu lange….“ Aber beim zweiten Hinsehen ist ihm dann doch aufgefallen, dass vieles nur Fassade ist, was da renoviert wurde, hinter der es dann doch wieder ganz anders aussieht. Beim wilden Baueifer seien auch einige Bausünden festzustellen, wobei sich Laux immer wieder die Frage stellt, wie das alles finanziert wird und ob diese Baudynamik anhalten wird. Ob die Renovierungswut irgendwann einmal auch die Stadtteile außerhalb des Zentrums erreichen wird. Ob das Wirtschaftswachstum, dessen Zeuge er in den letzten Jahren wurde, auch so nachhaltig ist, daß es auf Dauer trägt. In den Fragen schwingen hörbare Zweifel mit.

Gerhard Laux ist vermutlich der Deutsche mit der intensivsten Georgien-Erfahrung. Als Leiter des Saarbrücker Grundbuch- und Vermessungsamtes hat er in einem GTZ-finanzierten Projekt in Tiflis das Katasterwesen aufgebaut, wobei ihm seine Erfahrungen aus den Reformjahren in der ehemaligen DDR zugute kamen. Von 1989 bis 1992 war er auf Ost-Entwicklungshilfe in Cottbus und hat dort gelernt, welche Schritte notwendig sind, aus sozialistischem Gemeineigentum an Grund, Boden und Immobilien ein funktionierendes, marktwirtschaftliches Grundstücks- und Immobilienwesen aufzubauen.

Für Georgien, sagt er heute, war das Katasterprojekt ein Konjunkturprogramm ohnegleichen, eine Art „Marschallplan ohne Geld“. Denn über Nacht waren aus Wohnungsbenutzern Wohnungseigentümer geworden, die mit ihrem Eigentum auf einen Markt geworfen wurden, der nur durch ein wirkungsvolles Katasterwesen geordnet werden konnte. Erst mit der Registrierung von Eigentum an Grund und Boden konnte eine „Gelddruckmaschine“ angeworfen werden, da Banken, Käufern und Verkäufern ein sicherer und vor allem transparenter Grundstücks- und Bodenmarkt organisiert wurde. Deshalb hat Laux von Anfang an Vermesser, Verwaltung und Notare in sein Boot geholt. Wenns dann einmal zu kriseln anfing zwischen den einzelnen Berufsgruppen, hat er einfach ein Fußballspiel angesetzt, bei dem die Gemüter wieder heruntergekühlt wurden.

In 20 Jahren deutsch-georgischer Zusammenarbeit ist das GIZ-Kataster-Projekt Tiflis-Saarbrücken vermutlich das erfolgreichste, weil es nachhaltig die Wirtschaftsstruktur des Landes verändert hat. Und später wurde dann von der kfw und anderen Organisationen finanziert auch landesweit ein Kataster aufgebaut.
Einen späten Erfolg können Laux und die GOPA-Consulting, die das landesweite Projekt durchzog, feiern: In Aserbaidschan wird in den Städten Gändschä und Scheki derzeit ein Katatserwesen aufgebaut. Einer der externen Berater für dieses Projekt war Sosso Salukwadse. Sechs Jahre war er Assistent von Gerhard Laux im Tifliser Katasterprojekt, achte Jahre dann bei der GOPA im landesweiten Katasteraufbau. Und langsam interessieren sich auch andere ehemalige Sowjet-Republiken für das Konjunkturprogramm a la Laux. Die drei baltischen Staaten überlegen sich derzeit, ebenfalls ein Kataster einzuführen. Für Sosso Salukwadse könnte es dann bald wieder heißen: Koffer packen.