RAINwurf (3): Echlatitis – eine georgische Erbkrankheit?

Die Szenenfolge ist bekannt, sie spielt sich in jedem Betrieb in immer neuen Variationen ab. Gibt der Chef einen Mitarbeiter eine ganz konkrete Aufgabe, bekommt er ganz sicher die Antwort: „Echla, das mach ich.“ Wobei das Wörtchen „echla“ nicht anderes bedeutet als jetzt.

Dieses georgische jetzt-echla ist allerdings eine nicht annähernd so präzise Beschreibung wie das deutsche jetzt. In Georgien kann jetzt eben jetzt sein, aber auch morgen oder übermorgen. Fragt der Chef zwei Tage später vorsichtshalber einmal nach, ob denn die Arbeit auch verrichtet sei, bekommt er mit größter Wahrscheinlichkeit die Antwort: „Echla, ich mach das.“ Echla, zum zweiten also. Es sind ja noch ein paar Tage Zeit.

Dieser Dialog kann sich dann in den folgenden Tagen mehrfach wiederholen. Echla, zum dritten, echla, zum vierten, fünften oder sechsten Mal.

Die Woche vergeht. Das Geschäftsereignis steht an, kurz zuvor erinnert der Chef seinen Mitarbeiter noch einmal an die vor Tagen schon gestellte Aufgabe und fragt nach, ob diese auch erledigt sei. Und wieder, nach deutschem Jetzt-Empfinden ist es schon annähernd fünf nach zwölf, ertönt erneut ein „Echla, ich mach es“. Ganz sicher das letzte Mal, denn die Reaktion und Minenspiel eines noch so geduldigen Chefs aus einem anderen Kulturkreis lässt auch jeden lokalen Mitarbeiter erahnen, dies wird wohl das letzte Echla gewesen sein.

Und jetzt geschieht ein kleines Wunder. Während der Auftraggeber immer unruhiger mit den Hufen scharrt, wird in Windeseile genau das erledigt, was – echla, die erste – seit  Tagen schon längst hätte erledigt sein sollen, zur Verwunderung aller. Und echla, die letzte, gerade  noch rechtzeitig zum Event oder halt mit einer jederzeit entschuldbaren kleinen Verzögerung. Die Umstände sind halt so.

Nach empirischen Forschungen haben wir es mit diesem Verhalten mit der genetischen Besonderheit der „Echlatitis“ zu tun, eines überwiegend im Kaukasus vorkommenden Phänomens. Ob es sich hierbei allerdings um eine Krankheit handelt oder um eine besondere Fähigkeit der Menschen dieser Region, um die andere sie nur beneiden können – an der Beantwortung dieser Frage arbeitet die Wissenschaft sicher noch eine ganze Weile.