RAINwurf (2) Eine Schnapsidee

Die georgische Tourismuswerbung schafft es auf verblüffende Weise immer wieder, in Windeseile die Online-Portale der Welt zu besetzen und im weltweiten Zwitscher-Netz die Drähte zum Glühen zu bringen. Entweder mit irgendeiner der wirklichen Krisen, die sich hierzulande in regelmäßigen Abständen zu ereignen pflegen. Oder mit inszenierten Krisen, wenn sich gerade einmal keine reale Krise anbietet.

Womit die Tourismuswerbung allerdings nur überschaubare Erfolge feiern konnte, waren ganz normale Tourismusmeldungen für die Zeiten, in denen gerade keine der beiden landesüblichen Krisenformen zur Hand war, obwohl es der Werbeparolen viele gegeben hätte. Zum Beispiel: Badeparadies an Traumständen. Oder: Bestes Preis-Leistungs-Verhältnis im Land, das den Service schlechthin erfunden hat. Oder: Heimelig-gemütliche Weindörfer in der Wiege des Weinbaus. Oder: Die schönsten Lifts und Abfahrten, die Sie je gesehen haben. Solch Werbe-Wortgedrechsel oder ähnliche intelligent erfundene Slogans haben – leider, leider – doch noch nicht den ganz großen Durchbruch im Tourismus gebracht, was Tourismus-Insider allerdings wegen der laut verkündeten Steigerungen von statistisch registrierten Grenzübertritten nur hinter vorgehaltener Hand bestätigen dürfen. Das tun sie aber besonders heftig, wenn sie unter sich sind.

Jetzt endlich hat der Bürgermeister von Batumi den ultimativen Tourismus-Werbehammer gelandet, der in den letzten Märztagen in nur wenigen Minuten die Welt des Internet eroberte: Der öffentliche Alkohol-Brunnen, der einmal in der Woche statt Wasser echten, hausgebrannten Tschatscha sprudeln lassen soll. Für 15 Minuten. Das Twitter-Netzwerk konnte sich stundenlang nicht beruhigen, ein virtueller Rausch hatte das Netz erfasst, weltweit. Georgien bietet Alkoholikern das gewisse Mehr, das andere Destinationen nicht bieten.

Der Mann hat Recht. Aber nur, wenn sich dieses Tourismuskonzept im ganzen Land realisieren lässt und nicht nur für 15 Minuten in der Woche und nur in Batumi. Nehmen wir nur einmal Bordschomi. Wer um alles in der Welt will denn dieses Gesundheitswasser, das da im Kurpark seit Zarenzeit gereicht wurde (siehe obiges Foto aus dem Jahr 2004), noch trinken. Mit dem Batumi-Tschatscha-Konzept würden Bilder wie das auf der rechten Seite, als deutsche Touristen Bordschomi pur und das direkt an der Quelle probierten, ein für allemal der Vergangenheit angehören. Tschatscha-Brunnen im ganzen Land – und der Tourismus floriert.

PS.: Und all die verfallenen Sanatorien aus der Sowjetzeit wie Zchaltubo, die derzeit noch, soweit überhaupt bewohnbar, von IDP`s missbraucht werden, könnten zur Langzeitbehandlung der so angeworbenen weltweiten Kundschaft wieder sinnvoll rehabilitiert werden. Von der endgültigen Lösung der Folgen des russischen Weinboykotts in Kachetien zum Beispiel ganz zu schweigen. Ob das weltweite Netz in seiner Zweistunden-Hype über den Alkohol-Tourismus in Georgien diese bahnbrechende Tourismus-Strategie wirklich verstanden hat? Zweifel sind angebracht.