Gert Hummel – Hochschullehrer und Bischof

Heute begehen die Universitäten Saarbrücken und Tiflis das 30-jähirge Bestehen ihrer Partnerschaft. Aus diesem Anlass portraitieren wir eine der wichtigsten Persönlichkeiten dieser Geschichte auf deutscher Seite: Prof. Dr. Gert Hummel, der im  März 2004 in Tiflis gestorben ist.

Der erste Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Georgien

Zu den eindrucksvollsten Persönlichkeiten der deutsch-georgischen Geschichte der Neuzeit gehört zweifelsohne Gert Hummel. Der Theologie-Professor kam bereits in den 80-er Jahren als Partnerschaftsbeauftragter der Universität Saarbrücken nach Georgien. Viele Germanistik-Studenten Georgiens verdankten Hummel einen Studienaufenthalt in Deutschland, lange bevor bundesdeutsche Institutionen diese Aufgabe offiziell übernahmen. Und Hummel hatte sich immer mit viel Engagement auch der Betreuung „seiner“ Austausch-Studenten gewidmet.
Wie er nach einem erfolgreichen Berufsleben als Theologe und Wissenschaftler auf die Idee kam, im Kaukasus noch einmal von ganz vorne anzufangen, erzählte er ausgerechnet beim Abendessen anlässlich seiner Bischofsweihe. Ein Professor für Atheismus der georgischen Universität machte ihn am Rande eines offiziellen Partnerschaftstreffen darauf aufmerksam, dass in Tiflis noch ein paar verstreute Reste deutscher Protestanten lebten, Nachfahren jener schwäbischen Aussiedler, die Anfang des 19. Jahrhunderts zumeist aus wirtschaftlicher Not aus ihrer Heimat ausgewandert waren. Der Schwabe und Protestant Hummel entdeckte urplötzlich einen Teil seiner persönlichen Wurzeln wieder, denn unter den Aussiedlern damals waren auch entfernte Vorfahren Hummels, die im azerischen Dorf Chanlar, früher Helenental, eine Weinhandlung „Gebrüder Hummel“ führten. Dies freilich erfuhr auch Hummel erst, als er bereits im Kaukasus war und die Geschichte seiner Schwaben hier recherchierte.

Hummel suchte fortan bei seinen universitären Dienstreisen nach Georgien die kleine protestantische Rest-Gemeinde von Tiflis auf, um mit ihnen Gottesdienst zu feiern. Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt: Nach seiner Emeritierung verkaufte Hummel einen Teil seines ererbten Privatbesitzes, um damit und mit zusätzlich gesammelten Spenden eine neue protestantische Kirche in Tiflis zu bauen, die er Versöhnungskirche nannte. Zusammen mit seiner Frau zog er dann nach Georgien, um zunächst als Gemeindepastor noch einmal von vorne zu beginnen. Aus der kleinen Gemeinde wurde kirchenrechtlich eine eigenständige Landeskirche, aus dem Pastor ein Bischof, der erste evangelisch-lutherische Bischof in Georgien.

Neben der Seelsorge widmete sich Hummel vor allem der Diakonie in Georgien, seiner Diakonie, für die er nie müde wurde, in Deutschland Geld einzusammeln. Urlaubsreisen in die Heimat waren für den Unermüdlichen nie reine Erholung: Vorträge, Begegnungen, Kollekten. Wie vielen Menschen er im Alltag geholfen hat, wie viele Leute, auch aus seiner privaten Tasche bezahlt, ein festes Monatseinkommen von ihm erhielten, hat er nie offen gelegt. Aber dass er als Kirchenmann damals die Lohnsumme eines mittleren georgischen Unternehmens bewegte, darauf hat er hin und wieder mit Stolz verwiesen.

Hummel stand für eine Kirche im Leben und nicht im Jenseits. Sicher, in der Orthodoxie erkannte der moderne Theologe aus Deutschland auch eine kontemplative Seite des Christentums, eine feiernde und feierliche, eine Seite, aus der die manchmal etwas nüchtern wirkenden deutschen Protestanten durchaus auch ihre Anregungen beziehen konnten. Aber ein wenig mehr an sozialem Engagement hätte er sich von seinen christlichen Amtsbrüdern der lokalen Kirche hie und da schon gewünscht.
Hummel hat sich intensiv der Zusammenarbeit mit der Orthodoxie gewidmet, so schwer dieses Feld auch zu beackern war. Für einen Teil des orthodoxen Klerus war Hummel ein unbequemer, weil in Diakonie und Jugendarbeit erfolgreicher Mann. Mit dem Patriarchen versuchte er, trotz aller Spannungen zwischen Orthodoxie und den anderen christlichen Religionen das freundschaftliche Verhältnis weiter zu pflegen, das er zu Zeiten seiner Saarbrücker Universitäts-Missionen in Georgien zum ihm aufgebaut hatte. Der offizielle Umgang zwischen Bischof und Patriarch war längst ein institutioneller, ein schwieriger Balanceakt, zumal der Patriarch damals von seinem Obersten Synod gedrängt worden war, aus dem Rat der Weltkirchen auszutreten, dem er jahrelang in führender Position angehört hatte.

Hummel war auch ein Mann der klaren politischen Ansprache. In der Predigt anlässlich seiner Bischofsweihe prangerte er die Unfähigkeit und Ungerechtigkeit eines Staates und einer Gesellschaft an, die – damals – ihre Renten nicht bezahlten, die kurz vor dem Wahltag aber Stromzuteilungen gewährten, tags danach aber in „zynischer Menschenverachtung“ (Originalton Hummel) das ganze Land wieder im Dunkel einer der Korruption geschuldeten Energiekrise versinken ließen. Mit dem Bischofskreuz, so Hummel damals in einer Klarheit, die beeindruckte, stehe er auch in der Verpflichtung, sich gegen die Mächtigen zu stellen und für die Schwachen zu einzutreten.
Nach seinem Tod führte Hummel Witwe, Christiane Hummel, das Diakonische Werk in Tiflis bis heute weiter.