Tourismus im Aufwind?

Die Georgian National Tourist Agency präsentiert die Tourismuszahlen für 2011

Von Daniel Nitsch

Die Bemühungen Georgiens, das Land für den Tourismus attraktiv zu gestalten, waren in den letzten Jahren gewaltig. Die Hauptstadt Tiflis wird stetig renoviert und neue Hotels schießen wie Pilze aus dem Boden. Auch an der Schwarzmeerküste wird fleißig gebaut und ein weiterer Fokus liegt im Winter- und Bergsporttourismus. Spezielle Themenreisen wie „Wein in Kachetien“ sollen außerdem Nischen füllen, um im harten internationalen Konkurrenzkampf punkten zu können.

Der Tourismus wird als größte Hoffnung der Georgischen Wirtschaft gesehen, die seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion sehr von Importen abhängig ist. Daher sind die touristischen Pläne der Regierung durchaus ambitioniert, wenn auch kostspielig. Diese Bemühungen bringen erste Erfolge, in 2011 reisten 2,8 Millionen Personen mit ausländischer Staatsbürgerschaft nach Georgien ein, das ist ein Plus von 39 Prozent gegenüber 2010 und mehr als sieben mal soviel wie im Jahr 2000. Jedoch fiel das Wachstum geringer aus als erhofft, die angestrebte Zahl von drei Millionen wurde knapp verfehlt.

Die Daten stammen von den Georgischen Grenzbehörden, die nicht nur Touristen sondern alle Einreisen erfassen. Nur 60 % dieser Einreisen erfolgten zu touristischen Zwecken, schätzt die National Tourist Agency, ein Anteil, den Fachleute allerdings als viel zu hoch einschätzen. Nach Vorgaben der Welttourismus-Organisation allerdings ist jeder, der eine Landesgrenze überschreitet, ein Tourist.

Nach Herkunftsregionen stammen 62 Prozent der Ausländer, die 2011 nach Georgien eingereist sind, aus der GUS, etwa 6 Prozent aus den übrigen Europäischen Staaten (ohne Türkei) und 3 Prozent aus Asien. 86 Prozent der erfassten Einreisen erfolgten von Staatsbürgern der Nachbarstaaten. Die Türkei, Aserbaidschan und Armenien liegen, in dieser Reihenfolge, auf den Top-Plätzen und stellten jeweils etwa ein Viertel aller Touristen in der Statistik; zehn Prozent aller Einreisen erfolgten von Staatsbürgern der Russischen Föderation. Es ist aufgrund der Zahlen also davon auszugehen, dass ein großer Teil der Einreisen auf den kleinen Grenzverkehr entfallen.

Das Top-EU-Land befindet sich hinter dem Iran, der Ukraine, Israel und den USA auf Platz 9 der Rangliste: 22.204 das heißt 0,8 Prozent aller eingereisten Ausländer sind Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland. Der Zuwachs lag von 2010 bis 2011 bei 26 Prozent und fiel damit unterdurchschnittlich aus. Die beiden anderen deutschsprachigen Länder scheinen in der Liste unter „ferner liefen“ auf. 3.144 Einreisen Österreichischer und 2.378 Einreisen Schweizer Staatsbürger wurden im Jahr 2011 registriert.

Der Anstieg an Einreisen aus Europa lag mit 35 Prozent im Durchschnitt. Die zahlenmäßig größten Zuwächse wurden von Reisenden aus Russland (plus 60 Prozent auf 280.000) und dem Iran (plus 180 Prozent auf 60.000) verzeichnet. Ein weiterer Wachstumsmarkt ist der Asiatische Raum. Aus Kasachstan kamen 2011 18.500 Personen nach Georgien (plus 120 Prozent). Die Zahl Chinesischer Staatsbürger, die Georgien besuchten, stieg um 140 Prozent auf 6.500.

Touristen kommen also fast zur Gänze aus Ländern, von denen Georgien auch am Landweg erreichbar ist. Besucher aus den kaufkraftstarken Ländern Europas tragen nur durchschnittlich zum Wachstum bei. Warum die Besucher aus Europa vorerst noch nicht in den Mengen kommen, wie erhofft, hat mehrere Gründe.

Einerseits wird in Europa kaum Tourismuswerbung gemacht. Zwar ist Georgien auf zahlreichen Tourismusmessen vertreten, es gibt jedoch
keine Tourismusbüros, an die sich Interessierte direkt wenden können. Dieses Informationsdefizit erschwert die Planung einer Individualreise. Viele Hotels, speziell außerhalb von Tiflis, haben auch keine Internetpräsenz, über die man im Vorfeld Informationen über Preise und Verfügbarkeit einholen kann. Buchungen von Zugfahrten oder den Inlandsflügen nach Mestia sind über Internet ebenso nicht durchführbar, sondern können erst vor Ort erledigt werden. Dies erfordert entweder Georgisch- oder Russischkenntnisse, oder die Hilfe eines lokalen Reiseveranstalters.

Von der Tourismusbehörde werden ebenso wie von Reiseveranstaltern außerdem Defizite im gastronomischen Angebot erkannt, das speziell außerhalb von Tiflis noch nicht ausreichend differenziert ist. Bei Unterkünften haben Touristen die Wahl zwischen Luxus- und Privatquartier, jedoch ist die Mittelklasse fast nicht vorhanden.

Doch das Hauptdefizit liegt in der Erreichbarkeit des Landes. Von Europa aus ist Georgien nur mit dem Flugzeug sinnvoll zu erreichen. Dabei sind die Flugpreise im internationalen Vergleich relativ teuer, Reiseunternehmer beklagen auch das mangelnde Entgegenkommen von Fluglinien, die keine Ermäßigungen für Gruppenbuchungen anbieten. Dadurch ist es für Reiseunternehmen praktisch unmöglich, attraktive Gesamtpakete anzubieten.

Zahlreiche Europäische Metropolen sind außerdem nur mit mühsamen Umsteigeverbindungen erreichbar, was zusätzlich zu den unkomfortablen Flugzeiten – der Großteil der Flugbewegungen am Flughafen Tiflis findet in der Nacht statt –Georgien als Destination für Kurzurlaube unattraktiv macht.

Auch wenn 2012 Tiflis von einigen neuen Destinationen aus angeflogen wird (Doha, Rom und Tallinn sind bereits fix), erfolgt die Einbeziehung Georgiens ins internationale Netzwerk nur schleppend. Besonders europäische Fluglinien sind von der Wirtschaftskrise betroffen und daher expansionsscheu. Noch erschwerend kommt hinzu, dass Georgien eine reine Incoming-Destination ist. Flugreisen sind für den größten Teil der heimischen Bevölkerung unleistbar und die Visabestimmungen Europäischer Länder haben noch eine zusätzliche prohibitive Wirkung.

Dabei führen Verbesserungen in der Erreichbarkeit rasch und nachhaltig zu einem Anstieg der Reisebewegungen. Das erwähnte starke Wachstum russischer Touristen ist auf die Wiederaufnahme von direkten Flügen zwischen der Russischen Föderation und Georgien zurückzuführen, die 2006 eingestellt und ab 2010 langsam wieder aufgenommen wurden, sowie die 2010 erfolgte Wiedereröffnung des zwei Jahre zuvor geschlossenen Grenzüberganges an der Georgischen Heerstraße.

Ein zweites gutes Beispiel ist die polnische Fluglinie LOT, die im Herbst 2010 Direktflüge von Warschau nach Tiflis aufgenommen hat. Die Touristenzahlen aus Polen sind daraufhin im Jahr 2011 auf 12.000 gestiegen, was einen Zuwachs von 70 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutet.

Für 2012 erwartet die Georgische Tourismusbehörde einen weiteren Anstieg der Touristenzahlen um 27 Prozent auf 3,5 Millionen. Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, sind jedoch zahlreiche Anstrengungen notwendig. Einerseits muss die Erreichbarkeit des Landes weiterhin verbessert, andererseits auf die Attraktionen des Landes besser hingewiesen werden. Aber am Ende ist eines klar: Die beste Werbung ist ein zufriedener Tourist, der Freunden und Verwandten begeistert vom Urlaub erzählt.