Rückblende: Die Seifenoper um das Pankisital

Eine Inszenierung, die ihresgleichen sucht

 

Das Pankisital in Ostgeorgien, wo heute ein inmittem einer blühenden Landwirtschaft ein friedlicher Ökotourismus stattfindet, wurde genau vor einem Jahrzehnt in einer internationalen Medien-Hype zum Hotspot des internationalen Terrorismus aufgeblasen. „Bin Laden im Pankisital“ titelten sogar seriöse deutsche Zeitungen, ohne zuvor ein einziges Mal in dem kleinen Seitental des Alasaniflusses gewesen zu sein. Was war geschehen?

Der russische Außenminister Iwanov erklärte am Rande irgendeiner internationalen Konferenz, dass im georgischen Pankisital Kämpfer der Al Qaida, möglicherweise sogar Osama Bin Laden höchstpersönlich, untergetaucht wären. Und dies mit der flapsigen Begründung: „Wer kann behaupten, dass er nicht im Pankisital ist?“. Iwanow war aber nicht der Urheber dieser obskuren Geschichte, er reagierte nur auf ein Interview, das der damalige amerikanische Gesandte, Philipp Remmler, einer georgischen Zeitung gegenüber gegeben hatte. In diesem hatte Remmler erklärt, man habe Hinweise, dass sich afghanische Taliban in den Kaukasus durchgeschlagen hätten, möglicherweise ins Pankisital, und deshalb müssten die USA Georgien im Kampf gegen den internationalen Terrorismus mit Militärhilfe, Training und Ausrüstung, unterstützen. Sogar George W. Bush, sicher ein intimer Kenner aller Seitentäler des Kaukasus, erklärte in einer TV-Ansprache das Pankisital zum Hotspot des internationalen Terrorismus. Und Eduard Schewardnadse setzte dem ganzen Treiben die Krone auf, indem er erklärte, man könne ja in Iwanows Elternhaus in Achmeta nach Bin Laden suchen, wenn der Russe, in Achmeta geboren und aufgewachsen, sich seiner Sache so sicher sei. Egal, die Weltpresse überfiel das Pankisital auf der Jagd nach Fotos und O-Tönen vom gefährlichsten Mann der Welt. Nach wenigen Tagen wurde die mediale Hatz auf Osama ergebnislos abgeblasen.

Was war geschehen? Das Pankisital war damals eine mehr oder weniger rechtsfreie Zone. Neben den einheimischen Kisten hatten sich mehrere Tausend Flüchtlinge aus Tschetschenien dort niedergelassen, unter ihnen ganz sicher auch verletzte Kämpfer und einige bekannte Feldkommandanten aus der mit Moskau verfeindeten nordkaukasischen Republik. Ein sicheres Rückzugsgebiet für die Aufständischen, zumal Eduard Schewardnadse, alle Augen zugedrückt, nur von einem humanitären Problem sprach. Russland hatte immer wieder gefordert, im Pankisital militärisch eingreifen zu dürfen, forderte sogar eine eigene militärische Boden-Präsenz und hatte diesen Anspruch gelegentlich mit Bombenabwürfen im direkten Grenzgebiet.

Washinton hatte vor dieser inszenierten Krise mit Georgien ein 64-Millionen-$ schweres militärisches Trainings- und Ausbildungsprogramm vereinbart, das weder in Russland noch im amerikanischen Kongress auf große Gegenliebe gestoßen war. Das Programm hatte allerdings mit dem Pankisital überhaupt nichts zu tun. Amerikanische Militärs in Georgien – für die Moskauer Generalität nahezu unvorstellbar. In Tiflis und Batumi hatte Russland damals noch eigenes Militär stationiert. Und in Amerika waren es vor allem die Haushaltspolitiker, die ein weiteres Engagement in der Welt nicht gerade in Freude versetzte.

Beide Widerstände waren politisch-propagandistisch nur zu überwinden, indem Washington sowohl heimischen Geldgebern als auch Moskauer Befindlichkeiten gegenüber die US-Militärhilfe für Georgien als Beitrag zum Kampf gegen den internationalen Terrorismus begründete. Mit derselben Begründung hatte Russland immer wieder ein Eingreifen im Pankisital gefordert, allerdings die Tatsache kaschierend, dass es sich bei ihrem Problem Tschetschenien eigentlich um ein innerrussisches handelte. Da mussten dann eben doch internationale Terroristen her, wenn ein militärisches Engagement Amerikas gerechtfertigt sein sollte. Nichts anderes kann Philipp Remmler, der eigentliche Verursacher der Krise, im Sinn gehabt haben. Einen Tag nach seinem folgenschweren Statement fuhr er übrigens, wie große Teile des diplomatischen Korps, zum Wochenend-Skiausflug nach Gudauri und auf dem Höhepunkt der Pankisikrise veranstaltete die georgische Modedesignerin Maka Asatiani eine Modenschau an einem  Sicherheitsposten im Pankisital. Die Show wurde live in Georgien und Amerika übertragen.

Einige Zeit später schrieben die Georgier ihren Akt in der Seifenoper um das Pankisital. Russische Militärhubschrauber hatten in schöner Regelmäßigkeit den georgischen Luftraum verletzt, die georgischen Proteste verpufften wirkungslos. In den georgischen Medien allerdings wurden diese Vorgänge immer als Angriffe auf bewohnte Gebiete im Pankisi und dem angrenzenden Tianeti-Bezirk dargestellt, wenngleich sich die Vorfälle immer weit ab der Siedlungsgebiete ereigneten. Ein paar Rinder und Schafe sollen getötet worden sein.

Bei einem dieser Manöver waren die Hubschrauber nach Angaben der OSZE-Beobachtermission rund 30 km in den georgischen Luftraum eingedrungen und dabei war eine Bombendetonation beobachtet worden. Die georgische Seite meldete zunächst drei Tote, später dann nur noch einen, einen 70-jährigen Mann, der angeblich frühmorgens beim Holzsammeln getroffen worden war. Der Fundort des Mannes lag allerdings weit außerhalb der 30-km-Zone, innerhalb der die  OSZE-Beobachter den Bombenabwurf lokalisiert hatten. Eine Obduktion der Leiche hat nicht stattgefunden.

Eduard Schewardnadse erklärte im georgischen Fernsehen, nach diesem Bombenanschlag unterstütze die ganze Welt Georgien, fuhr zur feierlich aufgezogenen Beerdigung des Mannes in dessen Heimatdorf und anschließend zu seiner ersten Visite ins Pankisital. Und die USA hatten einen Grund, Russland endgültig auf die Wahrung der Souveränität Georgiens im Pankisital zu verdonnern.

Als sich die Wogen um Osama Bin Laden geglättet hatten, durchkämmten amerikanische, russische und georgische Spezialkommandos in trauter Eintracht das Pankisital, fanden dort keine Taliban, dafür ein paar lange gesuchte Araber und Tschetschenen. Die Araber wurden  ohne Auslieferungsverfahren sofort nach Amerika verfrachtet, ein paar Tschetschenen nach Russland, völkerrechtlich ein mehr als bedenkliches Verfahren. Im September schließlich wurde das amerikanische Trainingscamp in der Nähe von Tiflis eröffnet. Die Militärpräsenz der USA in Georgien war etabliert.

Quellen: www.georgien-news.de 2002 – Old archives