Sicherheit im Straßenverkehr verbessert

Von Daniel Nitsch

Wer das erste Mal nach Georgien kommt, hat in der Regel das Vergnügen, mit dem Taxi vom Flughafen in die Stadt zu fahren. Der allererste Eindruck vom Land ist daher der chaotische Fahrstil der georgischen Autofahrer. Auch wer eine Überlandfahrt miterlebt hat, sei es als Fahrer oder Passagier, kann von zahlreichen haarsträubenden Szenen berichten. Es wird blind überholt, Geschwindigkeitsbeschränkungen werden als Empfehlungen für Feiglinge und Bodenmarkierungen maximal als Verzierung der Straße angesehen. Doch wie gefährlich ist der Straßenverkehr in Georgien wirklich?

Unfallzahlen und Verletzte lassen sich mit Europa nicht vergleichen. Da in Georgien keine Versicherungspflicht besteht, werden nur die wenigsten Unfälle statistisch erfasst. So wurden in Georgien im Jahr 2010 nur 5.100 Unfälle und 7.560 Verletzte registriert, während in Österreich, mit knapp doppelt so vielen Einwohnern und neun Mal so vielen Kraftfahrzeugen, ca. sieben Mal so viele Unfälle und Verletzte im Straßenverkehr registriert wurden. Daher ist ein statistischer Vergleich mit anderen Ländern nur bei den tödlichen Verkehrsunfällen sinnvoll.

Im Jahr 2010 starben in Georgien 685 Personen im Straßenverkehr, das sind 152 Todesfälle pro Million Einwohner. Die Todesrate ist damit etwa zweieinhalb Mal höher als in Österreich (66) und fast viermal so hoch wie in Deutschland und der Schweiz (45 bzw. 40). Dabei steht Georgien auch schlechter da als die Nachbarn Armenien und Aserbaidschan, die auf jeweils ca. 130 tödlich Verunglückte pro einer Million Einwohner kommen.

Die Todesfälle auf Georgiens Straßen stiegen bis 2008 kontinuierlich an, damals fanden 867 Personen den Tod. Der starke Anstieg der Verkehrsunfälle bis 2008 ist auf die stark wachsende Zahl an Autos bei nur schlecht ausgebauter Infrastruktur zurückzuführen. Jedoch ist Georgien noch immer weit von der Vollmotorisierung entfernt. Während in Georgien die Zahl der gemeldeten Kraftfahrzeuge von 2008 bis 2.010 um ein Sechstel auf 713.000 stieg, kommen immer noch nur knapp 160 Kfz auf Tausend Einwohner. Das sind deutlich weniger als in Österreich (726), Deutschland (623) und der Schweiz (521).

2009 war das Unfallgeschehen rückläufig und stagniert seit 2010. Gründe für die positive Entwicklung sind u.a. massive Investitionen in den Straßenbau sowie die Sicherheitsgurtpflicht, die 2005 auf Überlandstraßen eingeführt und 2010 auch auf die Städte ausgedehnt wurde. Verkehrsstrafen wurden erhöht und die Polizei kontrolliert und ahndet Vergehen nun konsequenter, speziell Geschwindigkeitsübertretungen und Alkohol am Steuer.

Trotz zahlreicher Verbesserungen werden von der Stiftung „Partnership for Road Safety“ immer noch einige Probleme im Straßenverkehr angeführt. Zwar ist die Ausbildung der Lenker inzwischen besser – in den 1990ern war es z.B. noch möglich, den Führerschein für 100 Dollar einfach zu kaufen – jedoch erfordert auch heute noch die Tätigkeit als Fahrlehrer keine gesetzlichen Mindeststandards. Führerscheinaspiranten absolvieren eine theoretische Prüfung und eine Fahrt auf einem Übungsplatz, müssen aber nicht nachweisen, dass sie auch im normalen Straßenverkehr bestehen können. Und auch wenn die alten Autos aus der Sowjetzeit stetig durch modernere, sicherere Fahrzeuge verdrängt werden, gibt es in Georgien keine technische Überprüfung wie in Europa. Die Stiftung schätzte 2009, dass 50-60 % der Fahrzeuge Georgiens bei einer sicherheitstechnischen Überprüfung durchfallen würden.

In den deutschsprachigen Ländern überschlagen sich die Medien jährlich mit Jubelmeldungen, im vergangenen Jahr seien die wenigsten Menschen seit Beginn der Aufzeichnungen bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen. Um auch in Georgien beim Rückgang der Verkehrstoten von 2008 bis 2010 von einem ähnlichen Trend zu sprechen, ist aufgrund der vorliegenden Zahlen verfrüht. Jedoch ist es zumindest ein Indiz, dass Georgien bezüglich Verkehrssicherheit auf einem guten, wenn auch noch sehr weiten Weg ist.

Quellen:
Foundation „Partnership for Road Safety“, www.safedrive.ge
Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) der Bundesrepublik Deutschland
OSCE, http://www.osce.org/eea/86342 S. 19, abgerufen am 13.2.2012
Schweizer Bundesamt für Statistik
Statistik Austria