KaPost-aktuell: Georgischer Weinexport: Gefährliche Abhängigkeit

Die unbequeme Wahrheit hinter einer Erfolgsstatistik

Und wieder einmal hat man in den vergangenen elf Monaten des Jahres 2018 einen Rekord erreicht, den man voll stolz verkünden kann. Der Weinexport meldet ein Plus von elf Prozent auf 77.945.023 Flaschen a 0,75 l, die im Ausland verkauft werden konnten. Im Vorjahr waren es nur 70.184.292 Flaschen. Allerdings: Wurden im Vorjahr pro Flasche noch 2,36 US-Dollar im Durchschnitt erlöst, waren es in diesem Jahr sieben Prozent weniger, nämlich 2,20 Dollar. Selbst bei gleichzeitigem Kursverfall der georgischen Währung und damit höheren Lari-Erlösen, müsste sich die Weinwirtschaft des Landes eigentlich eingestehen, dass ihr Exportzuwachs von respektierlichen elf Prozent dann am Ende insgesamt doch nur zu einer bescheidenen Einkommensverbesserung, in Lari gerechnet, geführt hat, wenn überhaupt. Der Exportzuwachs wird, finanziell berechnet, eher zum Nullsummenspiel für die Weinkellereien und vor allem für die Weinbauern.

Dabei ist es vor allem die nach wie vor starke Abhängigkeit von Russland, die auf lange Sicht gesehen zu Sorge Anlass geben sollte. Mit 48,6 Millionen Flaschen gehen noch immer 62 Prozent des Exports zum nördlichen Nachbarn, gefolgt von der Ukraine, die es auf zwölf Prozent bringt. Damit ist das Land in seinem Weinexport zu 75 Prozent von den beiden Nachbar-Staaten abhängig. Eine Situation, die jedem Marketing-Strategen, Landwirtschafts- oder Wirtschaftsminister keine ruhige Nacht mehr bescheren dürfte. Schon gar, wenn man den russischen Import-Stopp vor einem Jahrzehnt in Erinnerung hat oder den Export-Einbruch infolge der Wirtschaftskrisen in diesen Ländern vor wenigen Jahren. Beides kann sich bei der fragilen politischen wie wirtschaftlichen Lage in dieser Weltgegend jederzeit wiederholen. Was dann? Wie wird man die Export-Statistik dann verkaufen?

Zumal die große Zukunftshoffnung der letzten Jahre, China, zum ersten Mal schwächelt. Nach Jahren beständigen Zuwachses nahm China in diesem Jahr erstmals deutlich weniger Wein ab als im Vorjahr, nämlich nahezu eine halbe Million Flaschen, das ist ein Minus von sieben Prozent. Trotzdem liegt das Reich in der Mitte mit 6,3 Millionen Flaschen, das sind acht Prozent des georgischen Exports, noch immer auf Platz drei. Aber: Der Wachstumsmotor China ist erst einmal ins Stottern geraten. Was, wenn sich der chinesische Markt nicht wirklich wieder erholt?

Nimmt man die beiden nächsten Länder in der Exporttabelle – Kasachstan (3,4 Millionen Flaschen, plus zehn Prozent) und Polen (3,0 Millionen Flaschen, plus 27 Prozent) – dazu, dann nehmen die fünf wichtigsten Export-Länder Georgiens genau 90,85 Prozent des Weines ab. Die ersten zehn Länder (von insgesamt 56) dieser Statistik bringen es auf knapp 97 Prozent der georgischen Ausfuhren. Das ist alles andere als eine stabile Situation. Der Export-Artikel Wein – und damit große Teile der georgischen Landwirtschaft – erscheinen alles andere als gut gewappnet für die Zukunft.

Unter den ersten zehn Import-Ländern stehen die Vereinigten Staaten von Amerika mit 456.000 Flaschen (0,6 %) auf Platz neun. Die Bundesrepublik Deutschland steht mit 440.000 Flaschen, ein Plus von neun Prozent, auf Platz elf und führt damit die Liste der westeuropäischen Importeure an. Aus Westeuropa kommen nur Frankreich (113.000 Flaschen) und England (103.000 Flaschen) auf den Plätzen 19 und 20 noch auf einen nennenswerten Rang in dieser Export-Tabelle.

Das alles zeigt, dass die georgische Weinwirtschaft das eigentlich wichtige strategische Ziel, sich mit Qualitäts- und/oder Spitzenweinen auf dem Weltmarkt zu etablieren, wenn auch nur in kleinen Nischen, nicht wirklich angegangen hat. Nach wie vor dominiert der Massenabsatz in die Länder der früheren UdSSR, ergänzt durch – das schwächelnde – China. Und damit dominiert auch die Produktion an Weinen im unteren Qualitäts-Bereich. Weine, die eben nur in den traditionellen, ex-sowjetischen Absatzmärkten gefragt sind, die andernorts in der Welt kaum ein Zertifizierungslabor durchlaufen können. Wie lange noch kann diese Strategie gut gehen? Der georgische Weinbau steht nach wie noch vor einem ganz gewaltigen Strukturwandel, will er einmal wirklich stabile und nachhaltige Erfolgsstatistiken vorlegen mit Absatzstrukturen, in denen sich die jeweiligen Marktrisiken in dieser Welt die Waage halten. Absatzstrukturen, die im Ernstfall Märkte enthalten, die kurzfristig zu aktivieren wären. Ob die Verantwortlichen in Georgien das heute richtig einschätzen?