Den Konflikt nicht nur mit einem Wort beschreiben

Differenzierte Aussagen des neuen deutschen Botschafters in Georgien, Hubert Knirsch, zum Thema Okkupation

In einem ersten TV-Interview mit dem georgischen Sender Palitra hat der neue deutsche Botschafter in Georgien, Hubert Knirsch, ein politisches Ausrufezeichen gesetzt, wenngleich er in der Wahrnehmung in Georgien vermutlich nur auf das eine Wort reduziert wird: Okkupation. Nach diesem Wort befragt, erklärte er: „Sie konzentrieren sich auf das Wort Okkupation und ich verstehe das sicherlich. Russische Truppen sind ohne Zustimmung Georgiens auf dem Territorium Georgiens, es handelt sich also um Okkupation“. Was danach aber an Differenzierung folgte, ist mindestens so interessant wie die Agenturschlagzeile, die eben nur dieses eine Wort zitiert. Knirsch ergänzte seine Aussage: „Wir dürfen jedoch nicht den Fehler machen und den ganzen Konflikt mit nur einem Wort beschreiben. Wir alle wissen, dass der Konflikt zwischen Abchasiern, Georgiern und Südosseten Anfang der 90-er Jahre während politischer Veränderungen entstanden ist, und ich denke, dass von beiden Seiten Fehler gemacht wurden, bedauernswerte Fehler.“ Damit erinnerte der deutsche Diplomat daran, dass die Probleme mit den Sezessions-Provinzen in die Zeit gleich nach dem Ende der UdSSR zurückreichen, als eine nationalistische Politik des georgischen Präsidenten Gamsachurdia den ethnischen Minderheiten erklärte: „Wir Georgier sind jetzt Herren im eigenen Haus und Ihr seid unsere Gäste.“ Das war der Anfang bewaffneter Auseinandersetzungen, die dann im Süd-Ossetien-Krieg des Jahres 2008 und mit der diplomatischen Anerkennung Abchasiens und Südossetiens durch Russland endeten. Seither sind beide Konflikte eingefroren.

Knirsch erklärte dann weiter, das Thema habe also eine lange Geschichte und viele Ebenen:
– die örtliche Ebene zwischen Georgiern, Abchasen, Südosseten und anderen Nationalitäten;
– die Ebene des russischen-georgischen Konflikts;
– die geopolitische Ebene des inzwischen erneuerten und verstärkten Konflikts zwischen Russland und dem Westen.

Damit wird deutlich, dass die Reduzierung des Konflikts nur auf die georgisch-russische Ebene wohl wenig erfolgversprechend sein wird. Auch die beiden anderen Ebenen, insbesonders die innergeorgische, sind von Bedeutung und müssten angegangen werden. Das seien insgesamt schwierige Konflikte, die die Beteiligung und Diplomatie von allen erfordern. Aber: „Als Diplomat glaube ich, dass diese Konflikte im Laufe der Zeit gelöst werden können.“

Zu den Beziehungen Georgiens zur NATO und zur EU betonte der Botschafter, dass Russland in diesen Prozessen keine Rolle spielt, denn niemand habe ein Vetorecht gegen das Recht Georgiens, Mitglied der NATO oder der EU zu werden. Allerdings fügte Knirsch hinzu: „Russland ist in Faktor, den wir in der Sicherheitspolitik berücksichtigen sollten.“ Das kann durchaus so interpretiert werden, dass die Euro-atlantischen Bemühungen Georgiens dann doch auch irgendwie mit dem großen Nachbarn des Landes im Norden konsensfähig gemacht werden sollten. Und dann folgte der vielsagende Satz: „Die Vereinigten Staaten und Deutschland haben enge Beziehungen zu Russland.“ Soll das heißen, egal wie lange es dauern wird, diese Probleme zu lösen, die Bundesrepublik Deutschland hat wohl eine besondere Verantwortung übernommen, Moskau in dieser Frage als Gesprächspartner einzubeziehen? Ob die Mehrheit in Georgien all diese Differenzierungen des deutschen Botschafters zum Thema Okkupation zur Kenntnis nimmt?