Eine besondere Kunst: Statistik

Wie sich Georgien die Arbeitslosigkeit schön rechnet

Im Umgang mit Statistiken und ihren Zahlen gilt landläufig der Satz: „Traue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast.“ Die georgische Erklärung dieses Satzes scheint aber zu sein: „Mache die Fälschung zwar deutlich, verstecke sie aber so geschickt in das Zahlenwerk, dass jede Interpretation möglich ist.“ Anders lässt sich die offizielle Arbeitslosenstatistik des Jahres 2017 nicht erklären, die der Direktor des Nationalen Statistik-Büros, Gogita Todradze, kürzlich publizierte und die zur Überschrift in einer Agentur-Meldung führte: „Arbeitslosenquote in 2017: 13,9 Prozent“. Das ist ein Rückgang zum Vorjahr von 0,1 Prozent. Erfolgszahlen, allgemeines Schulterklopfen bei den Regierenden.

In der Agenturmeldung – wir beziehen uns auf die englische Version von der Webseite der Agentur – wird dann aber die offensichtliche Differenz zwischen Statistik und Realität genauer erläutert, dies allerdings so geschickt, dass es kaum jemandem auffällt. Demnach erklärte der oberste Statistiker des Landes, dass im ganzen Land 1,7 Millionen Menschen ohne Beschäftigung seien, bei einer Bevölkerung von etwa 3,5 Millionen also ziemlich genau die Hälfte, was in etwa der gefühlten Realität entspricht. Um auf eine bessere Arbeitslosenquote zu kommen, werden allerdings 880.000 Menschen als Selbständige (self-employed) geführt. Und 280.000 seien im staatlichen Sektor beschäftigt, wie auch immer das zusammen passen kann, arbeitslos und beim Staat beschäftigt. Bleiben also genau 540.000 Menschen übrig, die wohl unter der Rubrik arbeitslos geführt werden. Bei 3,5 Millionen Einwohnern wären das exakt 15,4 Prozent. Davon wären jetzt allerdings Kinder und Jugendliche abzuziehen, sodass sich die Quote von 13,8 Prozent Arbeitslosigkeit schon irgendwie zurecht, das heißt schön rechnen lässt.

Interessant ist aber ein Blick auf die 880.000 selbständigen Unternehmer im Land. Da man in den ländlichen Zonen von einer Arbeitslosigkeit von nur 5,1 Prozent ausgeht, dürfte sich hier eine der wesentlichen Erklärungen der statistischen Raffinesse finden lassen. Denn anscheinend wird jede Person im arbeitsfähigen Alter, die nicht in einer Stadt wohnt und keinen Arbeitsvertrag mit einem Unternehmen hat, als selbständiger Landwirt geführt, anscheinend egal, ob er sich als solcher fühlt oder nicht. Ein bisschen Ackerfläche hat ja wohl jeder rund um sein Haus. In den Städten wird die Arbeitslosigkeit übrigens mit 22,8 Prozent angegeben, also mehr als 4,5 mal soviel wie auf dem Land. Zurück zu den vielen selbständigen Landwirten. Vor einigen Jahren veröffentlichte das Landwirtschaftsministerium einmal eine Statistik, nach der die Hälfte der damaligen Landwirte eine Ertragsfläche von unter 0,2 Hektar zur Bewirtschaftung hat. Eine Fläche, mit der man nicht einmal Subsistenz-Landwirtschaft betreiben kann. Mehr als ein Hektar Betriebsfläche hatte damals nur eine verschwindend kleine Anzahl an Landwirten. Daran dürfte sich bis heute nicht viel geändert haben, Landwirtschaft, wie sie andernorts in der Welt bekannt ist, findet in Georgien kaum statt. Und das in Gottes eigenem Paradiesgarten, wenn man den Legenden glaubt, die jede georgische Supra schmücken. Es scheint so zu sein: In der offiziellen georgischen Arbeitsstatistik helfen alle diese kleinen Hausgärten, die Zahl der Arbeitslosen im Lande klein zu rechnen. Und die Agenturen geben diese Meldungen ungeprüft und unkommentiert weiter.

Anmerkung: Wir beziehen uns auf die englische Übersetzung aus der Webseite einer georgischen Nachrichtenagentur unter der Überschrift: „. Unemployment rate amounted to 13.9 percent in 2017 in Georgia“ mit Datumsangabe: 12:50 21-05-2018. Was wir allerdings nicht völlig ausschließen wollen ist, dass die georgischen Journalisten-Kollegen ihrerseits die etwas verschwurbelte Zahlen-Interpretation erfanden, um einerseits die regierungsamtliche Erfolgsmeldung  nicht zu torpedieren, andererseits aber jedermann die Chance zu eröffnen, hinter das offensichtlich recht fragwürdige Zahlenwerk zu schauen. Subversiv würde man das dann nennen dürf