Bas Böttcher und die Macht der Sprache

„Überraschend, aber einfach toll!“ Mzia Tschchartischwili, Deutschlehrerin an der Internationalen Kaukasus-Universität in Tiflis schwärmt von einem Seminar am Goethe-Institut im Januar. Bas Böttcher, Star der deutschen Slam-Poetry-Szene, führte georgische Germanisten in diese aktuelle Literatur-Form ein. „Das war meine erste Begegnung mit einer Literatur, die Dichtkunst, Sprachklang, Rhythmus, Mimik, ja sogar Atemtechnik miteinander zu einem einheitlichen Ganzen verbindet.“

Bas Böttcher beschreibt sich selbst als einen „Freisprecher“ mit dem Ziel, ein ästhetisches und populäres Arrangement aus Klang, Rhythmik und Sinn herzustellen. Freisprecher bedeutet aber keinesfalls Improvisation, die Texte werden genau konzipiert, jede Silbe hat ihren Platz, selbst das Atmen ist Teil der Konzeption. Bas Böttcher in einem Interview:  „Kulturell gesehen ist das ein zufälliges Treffen über Zeiten hinweg – afroamerikanische Wortkunst trifft europäische Lyrik. Und es ist eine Art Rückkehr – denn diese Lyrik war ursprünglich gesprochen, und auch getanzt. Das Klangliche spielt eine sehr starke Rolle, das Sinnliche insgesamt.“

Die Geschichte mit den afrikanischen Wurzeln wurde Mzia besonders beim Gedicht „Bekommbar“ deutlich, das in seiner Klangmalerei tatsächlich an ein afrikanisches Busch-Getrommel erinnert, Schlagzeug-Lyrik oder die Sprache als Schlagzeug. Rhythmische Wort-Collagen, deren Inhalt sich eher akustisch-sinnlich erfahren lässt denn im Lesen. Bas Böttcher hat dieses Wort „Bekommbar“ neu erfunden, zum Patent angemeldet und will es als Konkurrenz zum klanglich völlig langweiligen „erhältlich“ (erhältlich mit einem langweilig gehauchten h auf der betonten, zweiten Silbe) in den Sprachgebrauch einführen, selbstverständlich gegen Tantiemen. Ein völlig respektloser Umgang mit der Sprache der Dichterfürsten Goethe, Schiller und Co, die von der georgischen Germanisten-Tradition überaus verehrt werden. Verbal-Acssoires im Komplett-Set für jeden Anlass, für H&M Gebildete, die in IKEA-Wohnungen leben (Original-Sprech Bas Böttcher). Eine Literatur, die die Menschen dort abholt, wo sie sind, und nicht wartet, bis sie zu ihr kommen.

Mzia hat nach gleich nach dem Seminar im Internat nach einem Video des Gedichts „Bekommbar“ gefahndet (gegoogelt) und dieses einem Neffen vorgeführt. Er ist selbst Poet und verbindet oft Dichterlesungen mit Musik. Ob diese neue Literaturform aus Deutschland auch die georgische Literatur beeinflussen kann? Natürlich, antwortet Mzia für ihren Neffen, gerade die georgische Sprache mit den vielen harten Konsonanten böte sich für solche „Schlagzeug-Literatur“ geradezu an.

Sie selbst fühlt sich von Bas Böttcher inspiriert und will künftig im Unterricht verstärkt mit diesen spielerischen Mitteln, mit Sprache umzugehen, arbeiten. Und dann zitiert sie ihren ersten eigenen Text-Versuch in Slam-Poetry, den sie im Seminar mit Bas Böttcher erarbeitet hat. Negative Assoziationen zum Substantiv „Auge“ waren von ihr gefordert. Und das kam dabei heraus: „Ein böser Blick mit blauen, braunen, blöden, kranken, kurzsichtig-künstlichen, starken, starren Augen erstaunen und töten mich.“ Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Jetzt fehlt nur noch die Bas`sche Performance.