Reinhold Messner und der Skitourismus in Georgien

„Skifahren nimmt ab, Skitouren nehmen zu“

Die Bergsteiger-Legende Reinhold Messner hat sich auf Einladung der georgischen Regierung als deren Werbe-Ikone vor allem für das Ziel, den Ganzjahrestourismus anzukurbeln, zur Verfügung gestellt, wie auf einem Youtube-Video von Messners Georgienbesuch in diesem Jahr deutlich zu erkennen ist. Und Ganzjahrestourismus heißt hierzulande vor allem die Entwicklung des Skitourismus in den Regionen, nicht nur in Gudauri. Dazu gibt es bereits zwei neue Liftanlagen am Goderzi-Pass und auf dem Tetnuldi-Plateau in Swanetien. Beide Skigebiete haben aber einen großen Nachteil, sie sind verkehrsmäßig sehr schlecht erschlossen und erscheinen daher derzeit keinesfalls marktfähig.

Die KaPost hat Reinhold Messner im August in Südtirol aufgesucht und mit ihm über sein Engagement in Georgien gesprochen. Seine grundsätzliche Position: „Es braucht unbedingt neuer Liftanlagen, um den Tourismus anzukurbeln. Aber sie müssen die Logistik schaffen von Tiflis in die Berge.“ Und da vertraut er voll und ganz dem Versprechen der georgischen Regierung, das Problem mit einer direkten Autobahn von Kutaissi zum Tetnuldi zu lösen. Es gäbe zwar ein paar Flughäfen in Bergesnähe (gemeint sind wohl Ambrolauri und Mestia), die man mit Charterflugzeugen erreichen könne. Aber damit wäre man noch lange nicht bei den Aufstiegsanlagen. Über die Kapazität und Lage dieser Flughäfen hat ihn die georgische Regierung wohl nicht informiert, sie können beide nicht zur verkehrstechnischen Erschließung des Tetnuldi-Plateaus beitragen Aber die Regierung habe ihm gesagt, sie könne einen Tunnel bauen, so dass man von Kutaissi aus in zwei Stunden am Tetnuldi-Skilift sei, auch im Winter. Und deshalb habe Georgien im Skitourismus gute Chancen, vor allem dann, „wenn bei uns in den Alpen der Schnee weggeschmolzen ist. Dann haben die einen Riesen-Erfolg.“ Dabei gab Messner zu, nur eines der georgischen Skigebiete mit dem Hubschrauber überflogen zu haben, das allerdings sei völlig steril „wie in Frankreich der 60-er Jahre“ – Gudauri. Das würden nur Einheimische nutzen, Ausländer kämen da nicht. Mestia dagegen sei ein attraktives Ziel, wenn es gelänge, „die alten Türme mit den Bauernhäusern zu erhalten.“ Das habe ja schon musealen Charakter. Soweit die intimen Kenntnisse der neuen georgischen Werbe-Ikone zum Skitourismus in Swanetien, über das Skigebiet Tetnuldi zeigte er sich kaum informiert.

Die Geschichte des Tetnuldi-Skilifts allerdings kennt allerdings kaum jemand. Die Idee geht zurück auf den früheren Präsidenten Saakaschwili, der den Swanen mit diesem Lift eine Million Touristen im Jahr versprach und die Infrastruktur der Stadt Mestia – Wasser, Abwasser, Müll und Straßen –  deshalb vorsichtshalber schon einmal auf 40.000 Hotelbetten planen lies. Zum Vergleich: Das weitaus größere Skiparadies Kronplatz in Südtirol mit seinen unzähligen Liftanlagen und Abfahrten hat mit insgesamt 1.722 Beherbergungsbetrieben rund 35.000 Hotelbetten, die es im Jahr 2015 auf eine Auslastung von gerade einmal 38,8 Prozent brachten. Und dies bei einer individuellen Erreichbarkeit per Autobahn aus einigen Ländern Europas, mithin einem Markt von mehreren Hundert Millionen Menschen. Irgendwelche Untersuchungen über das Marktpotential für den Tetnuldi und damit für die Wirtschaftlichkeit der ganzen Anlage sind nicht bekannt. Bekannt ist aber, wer die Investition finanzierte: eine französische, staatliche Export-Förderbank, deren Aufgabe es einzig ist, Arbeitsplätze in der französischen Industrie abzusichern. In diesem Fall freilich mit einem verantwortbaren Risiko, denn Georgien bürgt mit einer Staatsgarantie. Nach dem Regierungswechsel von 2012 lagen Pylonen, Seile und Sessel erst einmal im Mulachi-Tal auf einem Lager, die neue Regierung vom georgischen Traum wollte sich das Prestige-Projekt Saakaschwilis nicht ans Bein binden. Im Jahr 2015 allerdings hatte man es sich anders überlegt und über eine staatliche Projektierungsgesellschaft eine hektische Bautätigkeit begonnen. Der Grund, so war in Mestia zu erfahren: Die französische  Lieferfirma drohte mit dem Entzug der Garantie, sollte nicht Ende 2015 der erste Probebetrieb stattfinden. Die gesamte Anlage hätte dann allenfalls noch Schrottwert gehabt. So entstand in den letzten beiden Jahren am Tetnuldi-Plateau ein Skigebiet, für das es offensichtlich weder einen Markt gibt noch eine vernünftige Verkehrsanbindung. Dieses Problem allerdings hat die georgische Regierung erkannt. Deshalb hat Regierungschef Giorgi Kwirikaschwili anfangs dieses Jahres angekündigt, eine direkte Autobahn von Kutaissi zum Tetnuldi bauen zu wollen, um die Fahrtzeit von derzeit vier Stunden auf zwei zu verkürzen. Wie er allerdings im Winter in vier Stunden von Kutaissi zum Tetnuldi kommt, blieb rätselhaft, schon im Sommer ist das unmöglich. Eine kroatische Firma hat den Auftrag für die Planung der Teilstrecke Lentechi-Mestia bekommen. Kostenpunkt: 4,7 Millionen Lari, im Dezember 2017 sollen die Planungen vorgelegt werden. Dann geht es an die Ausschreibung.

Die Grunddaten für dieses ehrgeizige Projekt sehen so aus: Vom Flughafen Kutaissi bis zum Tetnuldi-Plateau sind es Luftlinie knapp 100 km bei einem Höhenunterschied von etwa 2.000 Metern, gemessen an der zentralen Talstation der Liftanlagen. Die Täler der Flüsse Rioni und Zchenistzkali mit den Städten Zageri (475 m) und Lentechi (760 m) eignen sich kaum für die Trassierung einer leistungsfähigen Autobahn. Laut Google-Maps sind es von Kutaissi bis Lentechi 90 Straßenkilometer, für die man knapp zwei Stunden Fahrtzeit einkalkulieren muss. Und zwischen Lentechi und dem Tetnuldi liegt die mehr als 3.500 m hohe Swanetische Kette mit dem Berg Laila (4.008 m) bei einer Luftlinienentfernung von knapp 40 Kilometern, diese Strecke soll weitgehend mit einem Tunnel überwunden werden. Bisher führt die Strecke über den Zagar-Pass und Uschguli – im Sommer schon schwer passierbar, im Winter geschlossen.

Nach Auskunft eines deutschen Straßenplaners, der seit Jahren in Georgien tätig ist, erscheint das von der Regierung angekündigte Straßenprojekt kaum realisierbar. Er kennt eine erste Studie mit einer Strecke von mindestens 200 Kilometern mit mehreren Tunneln und einigen größeren Brückenbauwerken, ohne die die Strecke Kutaissi-Mestia kaum zu überwinden sein wird und auch dann nicht in einer Zeit von zwei Stunden. Allein für die geologischen Untersuchungen in dem recht jungen Kaukasus-Gebirge seien Jahre und Millionen zu veranschlagen. Ob die Baukosten überhaupt finanzierbar sind, sei zu bezweifeln.

Zweifel sind auch an dem Marktpotential für das Skigebiet Tetnuldi angebracht. Nach einer Untersuchung des Internationalen Skiverbandes (FIS) zum Thema Skitourismus sind nicht einmal zehn Prozent der potentiellen Skitouristen bereit, ihr Zielgebiet per Flugzeug anzusteuern. Diese FIS-Studie wurde kürzlich in einem Seminar zum Thema Bergtourismus in Tiflis vorgetragen, sie müsste der georgischen Regierung damit bekannt sein. Also muss sich das Skigebiet Tetnuldi seine Kundschaft hauptsächlich im eigenen Land oder in den direkten Nachbarländern suchen. Und damit steht es in direkter Konkurrenz zu Gudauri, von Tiflis aus in etwas mehr als zwei Stunden zu erreichen.

Messners Position zu diesem Problem: „In den Alpen hat man in den letzten 20 Jahren immer neue Skigebiete erfunden, die den alten das Wasser abgraben.“ Der

Skitourismus gehe zurück, trotzdem habe die Politik immer wieder neue Gebiete geschaffen. Und eine weitere Erkenntnis des neuen Regierungsberaters in Sachen Tourismus: „Skitouren nehmen zu, Skifahren nimmt ab.“ Ob er mit solchen Ratschlägen Gehör findet? Vermutlich ist es für solche Gedanken schon viel zu spät.

Fortsetzung in der nächsten Ausgabe: Reinhold Messner und das Messner-Mountain-Museum in Mestia