Wohl ist die Welt so groß und weit….

Kann Georgien von 50 Jahren Tourismus-Entwicklung in Südtirol etwas lernen?

Das Südtiroler Heimatlied, das vor 50 Jahren bei jedem Grillabend im Garten des Bauernhofes Wolfsgruber im Antholzer Tal als Pflicht-Hymne gesungen wurde, könnte jedem Georgier auch heute noch nahezu unverändert über die Lippen gehen: „Wohl ist die Welt so groß und weit und voller Sonnenschein. Das allerschönste Stück davon ist doch die Heimat mein.“ Zweimal also Gottes eigenes Land als schönste aller Heimaten? Mit Bergen, Gletschern, wilden Flüssen und herrlichen Seen, aber auch mit paradiesischen Obst- und Weingärten. Zu dumm nur, dass in beiden Fällen trotz der zeitlichen Verzögerung von ein paar Jahrzehnten die Schönheit der Heimat kaum ausreicht, um dort überleben zu können, vor allem in den Hochgebirgsregionen, den schönsten Teilen dieser Heimaten. Und: Dass es deshalb kaum eine andere Chance gibt, als die Schönheit der Heimat an Gäste zu verkaufen, an Touristen, die kommen und damit die Heimat verändern, das Landschaftsbild, die sozialen Strukturen, die Kultur. Und dass dabei die Gefahr besteht, neben der Schönheit gleich die ganze Heimat mit zu verkaufen und am Ende sogar sich selbst noch dazu.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Ausgangslage vor 50 Jahren dort und vor jetzt 25 Jahren hier war nahezu dieselbe. Überwiegend agrarisch strukturierte Regionen, vor allem in den Bergen, die sich gewaltigen Herausforderungen gegenüber sahen und dies jeweils nach einem politischen Jahrhundert-Desaster. Dazu ethnische Verwerfungen, Konflikte und Unsicherheiten. Dort rund 500.000 Menschen in Stadt und Land, hier vor allem in den Berg-Regionen weitaus weniger. Beide Landstriche Durchgangsländer, dort der Brennerpass, hier der Kreuzpass, daher auch seit Jahrhunderten Erfahrung in Handel und Wandel. Die Gemeinsamkeiten sind frappierend. Und dennoch gibt es einen ganz wesentlichen Unterschied, wenn man an vor allem an die Entwicklung im Tourismus denkt. Südtirol hat – wie die gesamten Alpen – im Süden, Norden, Westen und Osten einen Markt von mehreren Hundert Millionen Menschen in vielen Ländern Europas, die in einer Tagesreise mit dem eigenen PKW individuell ihr Urlaubsziel erreichen können, im Sommer wie im Winter. In Georgien sieht es ganz anders aus. Neben den Nachbarländern Russland und Armenien, deren Bewohner vor allem im Sommer das Land als Individualtouristen überrollen, müssen alle anderen Touristen, vor allem die im Winter, hauptsächlich per Flugzeug angelockt werden. Das strategische Ziel Georgiens, vom Regierungschef mehrfach verkündet, nämlich eine Ganzjahres-Tourismus-Destination zu werden, muss daher von ganz anderen Voraussetzungen angegangen werden als in der ansonsten vergleichbaren Region Südtirol. Vor allem, wenn man bedenkt, dass gerade der Wintertourismus die schlimmsten Wunden in Landschaft und Natur verursacht.

Das Projekt Ganzjahres-Destination haben die Georgier vor allem in den Alpen angeschaut und wollen es jetzt nachahmen. Das war schon unter Saakaschwili so, daran hat sich wenig geändert. Und ausgerechnet Reinhold Messner, die lebende Berg-Ikone aus Südtirol, soll dieses Ziel, nämlich eine Balance zwischen Sommer- und Wintertourismus zu finden, beratend und werblich unterstützen. Dazu müssten, so Messner, für den Winter auch „Aufstiegsanlagen“ – sprich Skilifts – gebaut werden. Und im Sommer müsse die Berglandschaft „kulturell unterfüttert“ werden. Deshalb hat Messner der georgischen Regierung vorgeschlagen, in Mestia ein spezielles Bergmuseum einzurichten, etwa nach dem Vorbild der Messner-Mountain-Museen in Südtirol. In diesem Museum solle der „Kaukasus erzählt“ und emotional vermittelt werden, eine Art „Entschleunigung“ in der touristischen Hektik. Der Tourismus der Zukunft lebe vom „Geschichten erzählen“, story telling heißt das auf Neuhochdeutsch oder auch Narrative. Es reiche nicht mehr, ein paar Betten hinzustellen und gutes Essen und guten Wein zu präsentieren. Den Platz für dieses Museum habe er bei seinem jüngsten Besuch in Swanetien selbst aussuchen dürfen. Noch in diesem Jahr will er das Konzept, das er mit einem Architekten seiner Wahl erarbeitet habe, der georgischen Regierung vorstellen. Es läge dann an ihr, dieses Konzept anzunehmen und umzusetzen.

Messer hatte Georgien kürzlich auf Einladung der Regierung erstmals für ein paar Tage besucht und soll anscheinend künftig in ihrem Auftrag für den Tourismus in Georgien werben. Wie diese Propaganda-Kampagne aussehen kann, ist auf einem ersten Messner-Georgien-Videoauf youtube gleich in drei Sprachen zu sehen.

Fortsetzung in der nächsten KaPost: Reinhold Messner und der Skitourismus in Georgien