blista Marburg bildet Reha-Fachkäfte für Blinde in Georgien aus

Kooperation mit Blindenschule und Blindenverband in Tiflis – Prüfungen im März

Wenn Matthias Weström, ehemals Leiter des Gymnasiums an der blista Marburg (Deutsche Blindenstudienanstalt) in den vergangenen Jahren bei privaten Reisen nach Georgien die Situation blinder und sehbehinderter Menschen ansprach, waren die Gesprächspartner zwar interessiert, aber sie wussten eigentlich nichts Genaues. Obwohl beim Blindenverband rund 6.000 Blinde und schwer Sehbehinderte registriert sind, sieht man diese kaum in der Öffentlichkeit. Wahrscheinlich ist die Zahl der Blinden viel größer, wie Fridon Lobjanidze, der Vorsitzende der Georgischen Blindenunion bestätigt. Denn seit Ende der UdSSR kann die Union nicht mehr die Leistungen anbieten wie früher. Warum dann ein blindes Kind überhaupt anmelden? Zu Sowjetzeiten hatte die Blindenunion immerhin noch 40 Firmen mit Arbeitsplätzen für Blinde. Viel mehr als soziale Beratung, die übliche Kulturarbeit und die eine oder andere finanzielle Hilfe bei äußerst knappem Budget sind nicht mehr drin.

Immerhin gibt es in Tiflis noch die einzige Blindenschule für das ganze Land, in der derzeit allerdings nur knapp 50 Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden. Khatuna Jalaghonia, Direktorin dieser Schule, erklärt, dass viele Eltern keinen Sinn darin sähen, ihr blindes Kind etwas lernen zu lassen. Es müsse eh den Rest seines Lebens rund um die Uhr betreut werden, eine Pflicht, der sich Familien selbstredend nicht entziehen. Das Training mit dem Blindenstock beispielsweise, das die blista einmal angeboten hatte, wurde von einigen Eltern blinder Kinder abgelehnt mit der Begründung, nur Behinderte bräuchten einen Stock und ihre Kinder seien nun einmal nicht behindert, nur blind. Außerdem: Wozu soll denn selbständige Orientierung und Mobilität gut sein, wenn doch stets jemand zur Begleitung des Blinden gefunden werden kann? Auch eine von der Deutschen Botschaft für die Blindenschule vor Jahren finanzierte spezielle Blinden-Lehrküche für die Schule wird nur als Aufenthaltsraum für wartende Eltern genutzt. Warum muss ein Blinder kochen lernen, wenn doch die Mutter für ihn sorgt?

Matthias Weström ließ diese Sicht von Behindertsein keine Ruhe. Zusammen mit georgischen Partnern aus Regierung, Blindenunion und  Blindenschule startete er im September 2011 eine Fortbildung für Reha-Fachleute. In der ersten Stufe ging es vor allem darum, betroffenen Eltern und Fachleuten die vorschulische Förderung blinder und sehbehinderter Kinder unter verschiedenen Aspekten vorzustellen. In der zweiten Stufe ging es um die Förderung in Rehabilitationstechniken, insbesondere in Körperschutztechniken, Suchtechniken, Raumerkundung, Planung und Durchführung von Routen oder um Stocktechniken im Innen- und Außenraum. Dabei wurde großer Wert auf Selbsterfahrung der Teilnehmer gelegt, indem sie mit verbundenen Augen die Situation von Blinden simulierend erfahren sollten. Das mehrwöchige Seminar fand in den Räumen der Ilia-Universität statt, die einzige Universität, die einen Masterstudiengang „inklusive Pädagogik“ anbietet. Gewünschter Nebeneffekt bei der Auswahl dieser Lokalität: Vielleicht findet der eine oder andere Ansatz dieses Seminars Eingang in die Studien-Curricula.

Über Winter hatten die zwölf Teilnehmer der zweiten Stufe einen umfangreichen Katalog an Hausaufgaben zu bewältigen. Sie sollten u.a. einen Kriterienkatalog zur blindengerechten Umweltgestaltung erarbeiten. Im Februar 2012 werden in einem weiteren einwöchigen Seminar die über Winter erarbeiteten Konzepte besprochen. Alle Teilnehmer werden eine Prüfung machen und schließlich ein Zertifikat erhalten. Die Kaukasische Post wird darüber berichten.