In memoriam: Zaza Gachechiladse

Ein ganz persönlicher Nachruf von KaPost-Herausgeber Rainer Kaufmann

Vor sieben oder acht Tagen sahen wir uns endlich einmal wieder, Zaza Gachechiladse, Gründer und Gottvater des „Georgian Messenger“, Teileigentümer (wie ich) des Hauses in der Tamriko-Tschowelidse-Straße und damit Nachbar von mir und – darauf kommt es an – seit 25 Jahren journalistischer Kollege, Freund und Ratgeber in allen politischen Lebenslagen des Landes. Die Absprache mit dem schon wirklich vom Tode gezeichneten Manne vor einer Woche: Ende Oktober, bevor ich für drei Monate nach Deutschland fahre, sehen wir uns wieder, weil wir, wie ein Vierteljahrhundert gewohnt, immer viel zu besprechen hatten, wenn unsere Terminkalender uns denn die Chance gaben, uns zu treffen. Für dieses Mal war der Termin fest versprochen…

Heute, von einer Dienstreise zurückgekommen, erfahre ich, Zaza ist im Laufe des Tages verstorben. Und so haben wir uns, die Miteigentümer desselben Hauses – verabredungsgemäß???? – gerade vor einer Stunde in seiner Wohnung ein letztes Mal getroffen. Nur: Viel zu besprechen gab es angesichts der Realität des Todes nicht mehr. Oder vielleicht doch? Zaza allein kanns wissen.

Rückblende: Oktober 1992. Nach dem Putsch gegen Gamsachurdia gab es in Georgien eine erste Parlamentswahl, über die ich für die deutsche ARD vor Ort berichtete. Ich wohnte damals im einzigen Hotel der Stadt, dem Marco Polo Metechi – heute Sheraton. Zum Frühstück wurde uns eine Woche lang ein DIN-A-4-Blatt gereicht, täglich irgendwo und irgendwie kopiert, mit dem Titel “Zaza`s Daily News“. Der Inhalt, soweit ich mich heute erinnern kann: Nicht viel mehr als eine Übersicht über alle Veranstaltungen in Tiflis an diesem Tag, politische wie kulturelle, dazu Informationen über gastronomische Angebote, sofern es damals wirklich so etwas gab. Viel Veranstaltungen waren es nicht wirklich, aber immerhin: Irgend so ein – uns unbekannter – Zaza hat uns, die wenigen Ausländer, die damals hier waren, informiert über das, was abging in der Stadt. Und wir haben es ihm, unbekannterweise, wirklich gedankt.

Dieser Zaza, so habe ich später erfahren, war Englisch-Professor an der Tifliser Universität. Und er hat damals schon erkannt, dass die neue Zeit auch neue Kommunikations-Angebote erforderte. Und er hat sich dieser Herausforderung gestellt mit seinem täglichen Info-Paper „Zaza`s Daily News“. Für einen Professor der UdSSR eine ungeheure Haltung. Und eine ungeheure Mission zu diesen Zeiten. Noch einmal nach 25 Jahren: Was für eine Leistung in der gerade einmal überwundenen Sowjetunion, so provinziell man heute diesen Newsletter, der damals natürlich nicht so hieß, auch immer einschätzen mag.

Irgendwann einmal wurde aus all diesen und anderen, folgerichtigen journalistischen Neben-Aktivitäten des Universitäts-Professors Zaza, der „Georgian Messenger“, das lange Zeit einzige englisch-sprachige Presse-Organ von Tiflis. Und Zaza war sein Herausgeber, Chefredakteur und Fotograf auf allen wichtigen diplomatischen Events. Mehr als Hundert Mal haben wir uns da getroffen und – neben den Foto-Sessions – immer auch ausgetauscht.

In all dieser Zeit war Zaza für mich ein wirklicher Freund und – der lange Zeit einzige – unbestechliche Kollege des Landes, der viel zu meinem Verständnis, zu meinem Urteil über Georgien und seine Politik bzw. seine Politiker beigetragen hat. Der einzige, dessen politisches Urteil nie von irgendwelchen kommerziellen oder politischen Abhängigkeiten geprägt war, das immer eine deutliche, professionelle Distanz zum Geschehen und seinen Akteuren erkennen lies, so wie ich es aus meiner journalistischen Ausbildung in der Bundesrepublik der 70-er Jahre gewohnt war. Wenn es etwa um die Zeit des Ultra-Nationalisten Gamsachurdia ging, dessen chauvinistisches Treiben wir beide für sehr gefährlich hielten. Oder um die Ära von Eduard Schewardnadse, den wir beide kannten und dessen Verdienste für Georgien wie auch dessen offensichtlich gefährliche Schwächen für Georgien wir gleichermaßen einschätzten. Oder um die Zeit von Saakaschwili, dessen Rosen-Revolutions-Euphorie wir beide zunächst teilten, wie wir auch den Niedergang von Mischa gleichermaßen erschreckend fanden. Und dann natürlich auch die Zeit des georgischen Traums, seiner Wünsche, seiner Versprechungen und seiner heute offenkundigen Verfehlungen. Wann immer ich mit Zaza „herumpolitisierte“, wie das unter Journalisten-Kollegen so üblich ist, eines musste, besser durfte ich heute bei meinem letzten Gespräch mit ihm sagen: „Zaza, Du warst mir immer ein unbestechlicher Kollege und wichtiger, weil geistig unabhängiger Zeitzeuge in Deinem – vielleicht irgendwie auch meinem – Land. Ein wirklicher Freund. Dein Urteil wird mir fehlen.“ Und – so denke ich – geht es nicht nur mir.