Franziskus und das leere Stadion

Papstbesuch im Spannungsfeld zwischen ökumenischer Mission und dogmatischen Unterschieden

Schon im Vorfeld der Zweiländerreise des Papstes nach Georgien war klar, dass Franziskus in Georgien vor einer besonders heiklen Mission stand. Nicht etwa wie in Aserbaidschan oder vor einigen Wochen in Armenien wegen politischer Konflikte, vielmehr wegen des nach wie vor angespannten Verhältnisses der römischen Weltkirche und der georgischen Orthodoxie. Ein gemeinsames Gebetevon Patriarch und Papst, beide sind Oberhäupter ihrer Kirchen, wurde vom Patriarchat von vorneherein abgelehnt. Man empfange den Papst lediglich als Oberhaupt des Vatikanstaates. Mehr nicht. Es kam dann aber noch schlimmer. Obwohl der Vatikan damit rechnen durfte, dass bei der großen Messe im Mikheil Meskhi Stadion auch eine Delegation georgisch orthodoxer Würdenträger anwesend sei, wurde dies seitens des Patriachats kurzfristig abgesagt, ohne Angabe von Gründen. Zwei Stunden lang zeigte die Fernsehregie immer wieder die ganze Riege an hochrangigen Klerikern in Georgien. Unter ihnen Bischöfe der armenisch apostolischen Kirche oder der Baptisten, sogar Vertreter der muslimischen Minderheit nahmen demonstrativ am Papstgottesdienst teil. Die georgische Orthodoxie fehlte. Da fiel das Häuflein von vielleicht 100 erzkonservativer Protestierer gegen den Papstbesuch vor dem Stadion kaum noch auf, die Franziskus als „Antichristen“ und „geistigen Aggressor“ bezeichneten und ihn aufforderten, das Land zu verlassen. Sie hatten ihn bereits am Flughafen so begrüßt und wenige Tage vor dem Besuch schon für internationale Schlagzeilen gesorgt. Das Patriarchat hatte sich von diesen Protesten zwar sofort distanziert, gleichzeitig aber deutlich gemacht, dass es keine ökumenischen Gesten oder Handlungen zwischen der Orthodoxie und dem Oberhaupt der Katholischen Kirche geben werde. Dogmatische Unterschiede stünden dem im Wege.

An diese Regieanweisung hatte sich Franziskus aber nicht gehalten, als er beim Empfang im Patriarchat deutlich ökumenische Töne anschlug. Während der Patriarch den Verlust an Glauben und Tradition in einer immer globaler werden Gesellschaft anprangerte und dem Oberhaupt des Vatikanstaates gegenüber den Verlust der beiden ur-georgischen Provinzen Abchasien und Südossetien beklagte, sprach Franziskus mehr über die Notwendigkeit, den zwischen-kirchlichen Dialog zu beleben. „Lieber Bruder“, wird der Papst in einer Agenturmeldung von Radio Vatikan wörtlich zitiert, „lasst es uns dem Herrn Jesus erlauben, neu auf uns zu schauen. Lassen Sie uns noch einmal den Reiz seiner Berufung erfahren, alles hinter uns zu lassen, was uns an der gemeinsamen Verkündigung seiner Anwesenheit hindert.“ Ob dieser Satz für das Patriarchat schon ausgereicht hat, die Teilnahme an der päpstlichen Messe abzusagen?

Vielleicht war es aber auch ein kleines protokollarisches Nebenereignis, das im Patriarchat für Aufsehen sorgte. Radio Vatikan berichtete auf seiner deutschen Nachrichtenseite: „Franziskus hat vor und nach der Messe eine Heilige Pforte durchschritten, die anlässlich des Ereignisses auf einem Podest im Stadion der Stadt aufgestellt wurde. Die aus der Gemeinde Rustawi stammende Pforte war vom Apostolischen Administrator Giuseppe Pasotto urspünglich in der südöstlich von Tiflis liegenden Stadt errichtet worden – und zwar in Ermangelung einer städtischen Erlaubnis für einen Kirchenbau. So wird die für die Messe ausgeliehene Pforte von Beobachtern auch als Symbol der kirchlichen Spannungen in dem überwiegend orthodoxen Land gewertet.“ Ob diese päpstliche Geste seiner katholischen Minderheit in Georgien gegenüber diplomatisch klug war, wird man sich auch im Vatikan zu überlegen haben. Die georgischen Agenturen haben diese kleine Randerscheinung vor und nach der Papstmesse geflissentlich übersehen.

Im Stadion selbst nahezu gähnende Leere. Fast 30.000 Menschen fasst es, etwa 3.000 waren gekommen. Katholiken aus Georgien und den Nachbarländern, der georgische Staatspräsident als einziger Offizieller des Landes, Vertreter des diplomatischen Chorps. Viel mehr war eigentlich nicht zu erwarten, denn die Katholiken stellen mit knapp 20.000 Gläubigen, das sind 0,5 Prozent der Bevölkerung, eine Minderheit selbst im Reigen der Minderheiten-Religionen dar.

Antonio Spadaro, Leiter der Jesuitenzeitschrift Civiltà Cattolica, der den Papst auf seiner Reise begleitet, misst dem Fernbleiben einer orthodoxen Delegation bei der Papstmesse eine ganz andere Bedeutung zu: „Als Johannes Paul II. (er besuchte Georgien im Jahr 1999) nach Georgien kam, wurde eine Teilnahme an der Messe in den Medien als ‚Todsünde‘ bezeichnet. Dieses Mal gab es nichts davon zu hören,“ kommentierte er auf Twitter. Der Jesuit betonte aber ausdrücklich, dass sehr wohl orthodoxe Gläubige an der Messe teilnahmen und auch im Chor Mitglieder orthodoxen Glaubens dabei waren. „Das ist eine absolute Neuheit für Anlässe dieser Art.“ Also doch ein Fortschritt, wenn auch nur ein winziger? Der Papst hingegen bedankte sich in seiner Schlussansprache ausdrücklich auch bei den orthodoxen Besuchern dieser Messe für die Ehre ihrer Anwesenheit…..

Rainer Kaufmann