RAINwurf: Georgische Schmierenkomödie am Rande der OSZE-Konferenz

Die ganz großen Bühnen muss man bespielen, wenn einem schon einmal die Gelegenheit gegeben wird. Die georgischen Innenpolitiker haben anscheinend diesen Grundsatz mehr als verinnerlicht, als sie die Konferenz der Parlamentarischen Versammlung der OSZE zu einem innenpolitischen Amateurschauspiel benutzten, das außerhalb von Tiflis wohl kaum jemanden interessierte, geschweige denn geeignet war, Beifallsstürme zu verursachen. Es ging um die künftige Präsidentschaft des wohl größten Parlaments der Welt, das mit Abgeordneten aus 57 nationalen Parlamenten mehr als eine Milliarde Menschen vertritt. Die Europäische Volkspartei hatte den georgischen Vizepräsidenten der OSZE-Volksvertretung, Gigi Tsereteli, vorgeschlagen, ein auch international durchaus angesehener Politiker. Dummerweise ist der allerdings Mitglied der UNM (United National Movement) und damit der Oppositionspartei des früheren Präsidenten Saakaschwili. Für die Regierenden vom Georgischen Traum anscheinend eine Horrorvorstellung auch im Hinblick auf die bevorstehenden Parlamentswahlen im Lande. Ein Politiker der ach so verschmähten Opposition, der mit einem internationalen Spitzenamt gesegnet für sich und die seinen im Herbst auf Stimmenfang gehen könnte – das geht nun gar nicht, so stolz das Land denn auch auf eine solche Ernennung hätte sein können. Der georgische Präsident wie auch der Parlamentspräsident, beide eigentlich der Traum-Koalition zuzurechnen, unterstützten die Kandidatur öffentlich.

Dann geschah aber dieses: Russische Vertreter im OSZE-Parlament hatten angedeutet, für Tsereteli stimmen zu können. Tsereteli hatte sich anscheinend hinter den Kulissen um die Stimmen der nördlichen Nachbarn bemüht. Unvorstellbar, dass sich ein Georgier der Unterstützung von Okkupanten bedient, tönte es aus der Regierung, was dann wiederum einen UNM-Abgeordneten zu der Vermutung verleitete, der Georgische Traum seinerseits habe mit den Russen konspirativ deren Votum für Tsereteli ausgehandelt, um ihn damit innenpolitisch diskreditieren zu können.

Der Georgische Traum ist in internationalen Parlamenten in Fraktionen und Bündnissen zu suchen, die dem sozialdemokratischen Lager zuzuordnen sind. Tseretelis UNM gehört zur Europäischen Volkspartei, dem Bündnis der Konservativen, das sich mit seinem Brüsseler Führungspersonal hin und wieder für die Freilassung von „politischen Gefangenen“ in Georgien einsetzt, gemeint ist vor allem der frühere Innenminister Wano Merabischwili. Ein Landsmann dieser Fraktion in einem internationalen Spitzenamt zu sehen und das in einer Organisation, die sich anschickt, die Parlamentswahlen in Georgien mit einer Beobachtermission zu begleiten, da muss eine Regierung, die ums Überleben kämpft, einfach rot sehen, wenngleich der Einfluss des OSZE-Parlamentspräsidenten auf die Arbeit der Wahlbeobachter wohl eher bescheiden sein dürfte. Das Ansehen der OSZE als neutrale Instanz stand auf dem Spiel, verkündete die georgische Regierung ohne Rücksicht auf ihr eigenes Ansehen in der Welt. Zum Glück ging schlussendlich alles gut für die Regierenden, die Russen stimmten nicht für Tsereteli, der im ersten Wahlgang noch in Front gelegen hatte, in der Stichwahl dann aber einer österreichischen Kollegin unterlag, dies aber durchaus ehrenvoll. Tsereteli verlor auch sein Amt als Vizepräsident, weshalb Georgien jetzt nicht mehr in der Spitze dieser auch für seine eigenen Interessen wichtigen Organisation vertreten ist.

Parlamentspräsident Usupaschwili, der als einziger Vertreter des georgischen Regierungsbündnisses in der Parlamentarischen Versammlung für Tsereteli gestimmt hatte, nannte das Verhalten seiner eigenen Regierung denn schließlich mehr als beschämend und überdies unwürdig, als „politischen Masochismus“. Fürwahr eine kaum begeisternde georgische Wahlkampf-Komödie auf der Bühne der großen internationalen Politik. Glück für das Land, das das innenpolitische Spektakel andernorts kaum wahrgenommen wurde. Für die nächsten Monate stehen den Akteuren dann nur noch die Provinzbühnen im Lande zur Verfügung. Die Stücke, die dann aufgeführt werden, so ist zu befürchten, werden allerdings kaum anspruchsvoller sein als das, das gerade seine Uraufführung hatte.