Traumhafter Verschleiß einer Regierung

Was für ein traumhafter Verschleiß in Regierungsämtern in nur drei Jahren. Man will die Zahl der Ämterwechsel schon gar nicht mehr ermitteln. Und jetzt sogar der zweite Rückzug eines eigentlich so erfolgreichen Regierungschefs. Ohne Angabe von Gründen, nur wolkige Phrasen wie: Gott und das Vaterland sind ewig, Ämter nur temporär. Als ob man sich in einer Demokratie von der Verantwortung, in die man gewählt wurde, einfach so nach Belieben wieder entlasten könnte. Ich will nicht mehr, spielt einfach ohne mich weiter. Man könnte das auch einen zynischen Umgang mit dem Willen des Souveräns Wähler nennen, zumindest zeigt diese Art von Umgang mit demokratisch verliehenen Ämtern eine höchst fragwürdige Einstellung, der es an nahezu allen Erfordernissen demokratischer Reife mangelt.

Wieder einmal wird deutlich, dass die politische Elite des Landes trotz aller rhetorischen Bekenntnisse noch weit, weit entfernt ist von Europa. Solange nicht eine gewisse Verlässlichkeit in der Regierungsführung gewährleistet ist, kann Georgien in Institutionen, für die es sich entscheiden hat, nur schwer Vertrauen aufbauen. Vertrauen über Ländergrenzen hinweg hat auch etwas mit Verlässlichkeit in das politische Führungspersonal zu tun. Auch das gehört zu den Prüfungen, die dem Land noch bevorstehen, will es irgendwann einmal etwas mehr erreichen als nur psychologische Erfolge in der Visafrage.

Zu fragen ist allerdings, was hinter diesem Rücktritt steckt. Irakli Garibaschwili hat sich in den Jahren in der Politik, aber auch in den Jahren davor als Mitarbeiter der Cartu-Bank immer als dienstbarer Helfer seines Meisters Bidsina Iwanischwili gezeigt. Kaum zu glauben, dass er diesen Rücktritt ohne Einverständnis des informellen Regierungschefs vollzogen hätte oder gar gegen dessen Willen. Irgendwann in naher Zukunft wird auch Iwanischwili, der Garibaschwili erst als seinen Nachfolger in dieses Amt gehievt und vermutlich die ganze Zeit aus dem Hintergrund geführt hat, die Strategie hinter dieser Personalrochade erklären müssen. Im Sinne einer demokratischen Transparenz wäre es ganz sicher folgerichtig, wenn Iwanischwili selbst seinen Nachfolger als Regierungschef beerben würde. Dann könnte er sich im Herbst direkt dem Wählervolk stellen und um dessen Vertrauen für eine neue vierjährige Amtszeit für seine Form vom georgischen Traum von morgen zu werben. Der Traum von gestern und heute wird von der Wahlbevölkerung wohl wenig positiv eingeschätzt. Sonst gäbe es kaum einen Grund für den Rücktritt des Regierungschefs. Auf eine neue Marionette, an deren Fäden einer im Hintergrund zieht, können Georgien und Europa verzichten.

                                                                                                                   Rainer Kaufmann