Im georgischen Zementmarkt tut sich was

HeidelberCement ist Marktführer in Georgien und einer der größten Arbeitgeber

Zementherstellung ist keine Sache kurzfristiger Investitionen und schneller Gewinnerwartung. Wer Hunderte von Millionen investiert, braucht Rohstoff-Sicherheit für nahezu 100 Jahre, ausreichende Arbeitskräfte, Energie und einen entsprechenden Markt. Seit 2006 ist HeidelbergCement in Georgien engagiert, hat insgesamt mehr als 380 Mio Dollar investiert, beschäftigt in eigenen Unternehmen 1.250 Menschen und ist mit einem Anteil von fast 70 Prozent eindeutiger Marktführer im Inlandsabsatz in Georgien. In nüchternen Zahlen ausgedrückt: HeidelbergCement produziert derzeit jährlich etwa 1,6 Millionen Tonnen Zement in Georgien, eine halbe Million wird exportiert, überwiegend nach Aserbaidschan, der Rest wird im Land benötigt. Einige kleinere Wettbewerber liefern rund 200.000 Tonnen, dieselbe Menge importieren Händler aus der Türkei und Armenien.

Das Vertrauen des badischen Weltkonzerns in das Wachstum in Georgien drückt sich auch darin aus, dass HeidelbergCement in zwei Jahren eine neue Produktion in Kaspi mit der Kapazität von einer weiteren Million Tonnen eröffnet. Die derzeitige Kapazität liegt bei rund zwei Millionen Tonnen, ist also derzeit zu 80 Prozent ausgelastet. Der Zement geht in große Infrastrukturprojekte wie Straßenbau oder Wasserkraftwerke, aber auch in gewerblichen wie privaten Hausbau.

Eine unternehmerische Erfolgsgeschichte, hinter der noch viel mehr steckt. HeidelbergCement sorgt bei Lieferanten und Transporteuren im Lande für weitere 3.500 Arbeitsplätze. Der Kohleabbau von Tkibuli zum Beispiel geht zu fast 100 Prozent an HeidelbergCement, obwohl die einheimische Kohle wegen der geringeren Qualität teurer zu stehen kommt als etwa Importkohle. „Aber das können wir hier nicht anders machen“, sagt Chefmanager Michael Hampel. „Wir stehen auch zu unserer Verantwortung für das Land, in dem wir uns engagieren und – natürlich- unser Geld verdienen wollen.“ In Tkibuli gingen die wenigen Lichter aus, die im ehemaligen Bergwerkrevier der UdSSR noch brennen, würde HeidelbergCement auf die preiswertere Importkohle umstellen. 1.500 Menschen in Tkibuli stehen quasi auf der Lohnliste des Zementherstellers.

Auch der Rohstoff, den man für die Zementmühlen braucht, wird in Georgien in eigenen Steinbrüchen und Klinkeröfen erzeugt und nicht importiert, was ohne weiteres möglich wäre. Zement wird aus Kalkgesteinen hergestellt, die bei einer Hitze von 1.400 Grad Celsius getrocknet werden. Das Zwischenprodukt nennt man Klinker. Die Endfertigung in der Zementmühle stellt also nur den kleinsten Teil der Arbeits- und Wertschöpfungskette dar. HeidelbergCement versorgt auch kleinere Zementmühlen im Lande mit Klinker.

Zementproduktion ist eine staubige Angelegenheit, wie jeder weiß, der vor 40 Jahren etwa regelmäßig durch Leimen bei Heidelberg gefahren ist, einer der deutschen Mutterbetriebe des Unternehmens: Zentimeter dicke, hellgraue Feinstaubschichten auf allen Hausdächern. Davon ist heute nichts mehr zu sehen. Auch in Georgien hat die Firma diese deutschen Umweltschutznormen übernommen und rund zwölf Millionen Dollar in eine effektive Luftfilterung investiert. Und die abgebauten Kalksteinbrüche werden mit einem enormen Aufwand renaturiert, um die früher üblichen Narben in der Landschaft zu vermeiden. Michael Hampel: „Wir stehen auch in Georgien, wie überall in der Welt, zu den Umweltstandards, die von uns in Deutschland abverlangt werden.“

Jetzt ist aber Bewegung in den Zementmarkt von Georgien gekommen. Eine Investmentgesellschaft aus Zypern, deren Aktionäre anonym sind, hat angekündigt, in Westgeorgien eine Zementmühle zu bauen, die mit aus Griechenland importiertem Klinker versorgt werden soll. In Griechenland müssen große internationale Konzerne angesichts der dortigen Wirtschaftskrise derzeit eine Zementfabrik nach der anderen schließen, sie suchen natürlich nach Exportmärkten für ihre Fertigprodukte oder das Rohprodukt Klinker.

Eine Investition von rund zehn Millionen Dollar ist geplant. Die Zementmühle mit einer Anfangs-Kapazität von 250.000 Tonnen im Jahr soll bis Ende 2015 betriebsfertig sein. Vorab soll ab Herbst dieses Jahres Fertigzement aus Griechenland importiert werden, um den Markt in Westgeorgien zu erobern, wo man in den nächsten Jahren den größten Investitionsschub im Lande erwartet. Nach Plänen der georgischen Regierung soll zum Beispiel in Anaklia ein großer Umschlagshafen für die Warenströme von Asien nach Europa gebaut werden. Und in Adscharien sind mehrere Wasserkraftwerke geplant.

Im Hafen von Poti soll schon recht bald mit dem Bau eines Klinker-Terminals begonnen werden, was selbstverständlich für neue Arbeitsplätze sorgen wird und dort deshalb auch begrüßt wird. „Wir stellen uns wie überall in der Welt jedem Wettbewerb, das ist unser alltägliches Geschäft“, erklärt Michael Hampel gelassen. Aber er sagt auch: „Wer den Zementmarkt auf importierte Vor- oder Fertigprodukte aufbaut, verlagert Arbeitsplätzen ins Ausland, die hier dringend gebraucht werden.“ Von den Gewinnen der Wertschöpfungskette samt Steuereinnahmen für den Staat ganz zu schweigen.

Im derzeitigen Zementmarkt würde die Kapazität von 250.000 Tonnen nur ganze 16 Prozent ausmachen, der griechische Import-Zement ist also kein wirklicher Big Player. Schon gar nicht bei der wachsenden Nachfrage, die in den nächsten Jahren zu erwarten ist. Die Frage ist nur, was passiert, wenn die anonymen Investoren aus Zypern mit ihrem Geschäftsmodell erfolgreich sind und in den nächsten Jahrzehnten den Anteil des Import-Zements zu steigern gedenken, sofern der Markt es ihnen erlaubt. Eine Frage, der sich die georgische Wirtschaft und Politik heute schon stellen sollten. Denn Zement im eigenen Lande herzustellen, hat ganz andere volkswirtschaftliche Auswirkungen, als Zement zu importieren.