RAINwurf: Wie die mächtigen Herren (und Damen) der Welt diese retten

Irgendwie ist es gut, zu wissen, dass die Mächtigen der Welt die Dinge im Griff haben. Jedenfalls erklären sie es permanent ihren Wählerinnen und Wählern zu Hause. Die sollen ja wissen, was unablässig getan wird, um Unheil von der Welt fern zu halten. Die Botschaft ist einfach: Wir telefonieren ja rund um die Uhr miteinander. Merkel telefoniert regelmäßig mit Putin, um ihm den Militäreinsatz auf der Krim auszureden. Sie muss jetzt auch wieder mit Obama telefonieren, mit dem sie eigentlich nie wieder telefonieren wollte, und natürlich mit den neuen Regierenden in Kiew. Mit denen telefonieren alle außer einem: Putin. Immerhin durfte Medwedew bei Jazenjuk anrufen. Medwedew gibt es also noch. Bei Jazenjuk rufen Barroso an und viele andere, Lady Ashton zum Beispiel, die in den letzten Tagen auffällig in Deckung gegangen war. Sie hatte sich ja in den letzten Monaten ja unbestreitbare Verdienste um die Ukraine erworben. Sie gibt es also auch noch. Und Steinmeier ruft in Kiew an. Er telefoniert auch ständig mit Lawrow und natürlich den Außenministern der EU- und NATO-Partner.

Ban Ki Moon hat angekündigt, auch telefonieren zu wollen. Immerhin ist er ja der oberste Hüter der internationalen Sicherheit. Da muss man dabei sein bei der weltumspannenden Telefonier-Hype. Der amerikanische Verteidigungsminister telefoniert mit seinem russischen Kollegen Shoigu. Sein Chef im Weißen Haus telefoniert natürlich auch, allerdings nur mit seinesgleichen. Also mit Putin. Die beiden haben es in der Nacht nach den russischen Parlamentsbeschlüssen zum Militäreinsatz auf der Krim auf einen Telefon-Weltrekord gebracht: 90 Minuten haben sie miteinander telefoniert. Wahrscheinlich konnten sie sich nicht auf den Preis einigen, den Putin für seine Krim-Aktion zu zahlen hat

Es ist vermutlich auch nur ein inoffizieller Weltrekord, wer weiß, wie lange andere Weltenlenker klammheimlich miteinander telefonieren, ohne es öffentlich zu verkünden. Und zwischen seinen Telefonaten joggt Obama mit Biden auf der Veranda des Weißen Hauses, der Telefon-Marathon verlangt eben besondere Kondition. Oder hat gerade einer angerufen, mit dem er nicht telefonieren will?

Steinmeier wiederum hat auffällig selten mit Kerry telefoniert, den hat er ja gerade besucht. Überhaupt: Steinmeier muss gar nicht soviel telefonieren. Er kommt ja schneller mit dem Flieger an, als er Telefonnummern wählen kann. Deutsche Traditon, Genschman lässt grüßen. Kerry telefoniert während der Gesprächspausen mit Steinmeier auch. Er ruft ständig Lawrow an. Und gelegentlich auch Putin, wenn der nicht gerade mit Obama telefoniert.

Daneben teilen die Mächtigen dieser Welt über Twitter fast im Minutentakt mit, wie sie die Krise lösen, indem sie Ihre  Follower wissen lassen, mit wem sie gerade telefoniert haben. Mehr Inhalt geht nicht bei Twitter. Und die Online-Portale der Welt streuen diese eminent wichtigen Kurzmeldungen der Mächtigen in unzähligen Live-Tickern rund um den Erdball. In Echtzeit. Wie herrlich vernetzt wir doch mittlerweile sind. Der Wahlbürger wird in weltumspannender Transparenz einbezogen in den mühsamen politischen Alltag.

Bleiben ein paar Fragen: Wissen die Dauertelefonierer eigentlich, dass sie permanent abgehört werden? Dass Heerscharen von Geheimdienstlern wissen, was sie gerade am Telefon miteinander tuscheln? Die zweite – und viel wichtigere Frage – lautet: Warum um alles in der Welt laufen die Dinge immer wieder so aus dem Ruder, wenn die Herrschaften ständig miteinander telefonieren? Wahrscheinlich, weil sie keine Zeit mehr zum Regieren haben. Oder keine Zeit mehr zum Nachdenken. Oder, weil sie vor der Krise eben zu wenig telefoniert haben.

PS.: Dieses internationale Telefon-Twitter-Protokoll basiert ausschließlich auf den Meldungen des gestrigen Tages, des Tages, an dem das russische Parlament Putin einen Freibrief für eine Militäraktion in der Ukraine gegeben hat.