„Ihr Kinderlein kommet……“

Aufregung um eine Weihnachtsbotschaft des georgische Patriarchen

Kinder und Weihnachten – in der Christenheit weltweit gehören beide Begriffe einfach zusammen. So auch in der georgischen Orthodoxie, in diesem Jahr allerdings mit wenig erfreulichen Folgen. Eine Weihnachtsbotschaft des Patriarchen entfachte eine kontroverse Diskussion, die tags danach schließlich mit kleineren Handgreiflichkeiten zwischen Pro- und Kontra-Demonstranten vor der Residenz des Patriarchen endete. Die Polizei musste schlichten, ein Gericht verhängte ein paar Bußgelder und das Patriarchat schließlich bedauerte das ganze Geschehen, das nur auf einem Missverständnis beruhe.

In seiner am georgischen Weihnachtsfest verlesenen Botschaft hatte sich das Oberhaupt der orthodoxen Kirche zunächst einmal mit einem seiner Lieblingsthemen beschäftigt, „gewissen Minderheiten“, gemeint waren Homosexuelle. Es sei zu bedauern, dass diese mit ihren für das Christentum negativen Ideen zu Repräsentanten des Humanismus hochstilisiert würden, unterstützt von den Medien und NGOs. Die Kirche, die sich gegen diese Entwicklungen wehre, würde dagegen diskreditiert. Solche Individuen bräuchten Hilfe und Unterstützung, damit sie ihre sündhaften Neigungen überwinden und zurück finden könnten zum rechten Lebenswandel. Ihre sündige Propaganda könne aber keineswegs unterstützt werden.

Das Thema wurde vom Patriarchen auch auf die politische Ebene gehoben, indem er die in einigen Ländern Europas gültige Homo-Ehe und das Recht von gleichgeschlechtlichen Paaren, Kinder zu adoptieren, kritisierte. Solche Gesetze würden ein Kind zu einer Sache machen, das von jedermann in Besitz genommen werden könne. Georgien sei Teil Europas und strebe deshalb nach Europa. Aber die Europäische Union und das Europäische Parlament hätten die Traditionen gewisser Länder mit eigener Entwicklung und Kultur zu beachten und ihnen die freie Wahl zu lassen, damit sich ihre Bevölkerung auch tatsächlich an das moderne Europa anschließen könne. Positiv bewertete er dabei die Position der EU, vorgetragen vom EU-Botschafter Philip Dimitrov, der kurz zuvor erklärt hatte, die Legalisierung der Homo-Ehe sei keine Voraussetzung für eine volle Mitgliedschaft Georgiens in der EU. Ausführlich setzte sich der Patriarch mit den pseudo-liberalen Strömungen Europas auseinander, denen er die Wertevorstellungen des Christentums, speziell des orthodoxen, gegenüber stellte.

Im zweiten Teil seiner Epistel ging es dem Patriarchen um die Themen Abtreibung, künstliche Befruchtung und Leihmutterschaft. Von der Dunkelziffer von einer Million Abtreibungen im Jahr sprach er und stellte die Frage, wie eine Familie glücklich werden könne, in der eine Abtreibung stattgefunden habe. Oder: Wie könne eine Familie mit einem Kind, das durch eine Leihmutterschaft zur Welt gekommen sei, glücklich werden. „Dieses kleine Kind ist dazu verurteilt, der Liebe beraubt zu werden, und ist wegen der Einsamkeit von Anfang an zum Scheitern verurteilt“, wird der Patriarch in Nachrichtenagenturen übereinstimmend zitiert. Auch Kinder, die durch künstliche Befruchtung gezeugt würden, seien problematisch, da ihr Leben auf der Zerstörung anderer Embryonen basiere. Ehepaare, die keine Kinder bekommen könnten, dürften dies nicht als Tragödie verstehen. Sie sollten ihr Zusammenleben als die Vorbereitung auf ein gemeinsames Opfer verstehen.

Die öffentlichen Reaktionen auf diese weihnachtliche Gardinenpredigt waren heftig. Während Premierminister Irakli Gharibaschwili noch diplomatisch geschickt erklärte, die Botschaft des Patriarchen sei „tiefgründig, voller Substanz und interessant“ gewesen, gingen andere Politiker den Patriarchen direkt an. Surab Tschaparidse, Abgeordneter der oppositionellen Vereinten Nationalen Bewegung, forderte die Orthodoxie auf, den betroffenen Ehepaaren in ihren Nöten und den Kindern zu helfen, statt sie abzuweisen. Für die Mütter seien auch diese Kinder eine Gnade Gottes. Der wissenschaftliche Fortschritt in einer modernen Welt, unfruchtbaren Eltern zu helfen, sei auch ein Wille Gottes.

Nach Aussagen von Fachleuten werden in Georgien in acht Spezialkliniken jährlich rund 3.000 Kinder geboren, die im Reagenzglas gezeugt wurden. Über die Zahl der Leihmutterschaften gibt es keine allgemein zugänglichen Quellen. Es gibt in Georgien aber ein blühendes Leihmutterschaftsgewerbe mit einigen Spezialkliniken, ein Teil der Auftraggeber kommt aus Ländern, in denen Leihmutterschaften verboten sind. Der kinderlosen Ehepaaren vom Patriarchen angebotene Ausweg der Adoption verspricht kaum Erfolg: Auf drei Tausend Adoptionsanfragen kommen gerade mal 20 Kinder, die zur Adoption frei gegeben sind. Die Zahl der offiziell registrierten Abtreibungen wird vom Gesundheitsministerium mit 40.000 angegeben, die Dunkelziffer dürfte allerdings höher liegen. Für viele Frauen sind Abtreibungen die einzig bekannte Methode der Schwangerschaftsverhütung.

Der georgische Ombudsman, Ucha Nanuaschwili, erklärte, wegen des nach wie vor immensen Einflusses des Patriarchen auf die georgische Gesellschaft berge die Weihnachtsbotschaft „deutliche Risiken“. Er befürchte eine gesellschaftliche Stigmatisierung dieser Kinder in der Zukunft. Wörtlich wird der Ombudsman zitiert: „Ich denke, es ist mehr Vorsicht erforderlich, wenn die Kirche solche Fragen diskutiert, die zur Verletzung von Menschenrechten führen kann, außerdem zur Verletzung der Rechte von Kindern.“ Gesundheitsminister Davit Sergeenko reagierte ähnlich: „Die Experten, die dem Patriarchen diese Empfehlung gegeben haben, diese Analyse, sollten vielleicht einen gründlicheren Blick auf die Sache nehmen, bevor sie eine umfassende und empfindliche Analyse zu einem so sensiblen Thema machen.

Selbst aus der Schweiz meldete sich ein georgischer Wissenschaftler zu Wort, der mittlerweile dort arbeitet, Giorgi Kavkasidse. Er erklärte, dass er vor 25 Jahren mit dem englischen Wissenschaftler Robert Edwards bei Ilia II. gewesen sei, um mit ihm die Erkenntnisse des Briten bei der In-Vitro-Befruchtung zu besprechen. Die Reaktion des Patriarchen damals zitiert Kavkasidse so: „Wenn Ihre Methode hilft, verheirateten Paaren bei der Lösung der Unfruchtbarkeit zu helfen, dann segne ich Sie.“ Kavkasidse stellte dem Patriarchen jetzt die Frage: „Was ist in den 25 Jahren geschehen?“

Aufgeschreckt von der heftigen Reaktion ruderte das Patriarchat zurück und erklärte, dass die Kirche Kinder aus künstlicher Befruchtung und Leihmutterschaft nicht ablehne, wenngleich sie die Methoden verurteile. Im Gegenteil, der Patriarch würde gerade diese Kinder als Taufpate annehmen, um ihnen mehr Wärme, Liebe und Segen der Kirche angedeihen zu lassen. Die Kirche akzeptiere die freie Willensentscheidung aller Menschen, sie habe aber auch die Pflicht, vor Sünden und Fehlern zu warnen.

                                                                                                                     Rainer Kaufmann