„Sowjetbürokraten zwangen uns, früher nachzudenken als andere“

Wie die Kindzmarauli Cooperative vom Kommunismus in den Kapitalismus gelangte – Hotel Chateau Kvareli

Die Wein-Kooperative in Kindzmarauli, eigentlich eine Aktiengesellschaft, ist eine der ältesten Weinkellereien Georgiens. Am Anfang des 16. Jahrhunderts wurde in den Gemäuern des Schlosses von Kvareli in mehr als 60 Kvevris bereits Wein produziert. Bis die Kommunisten kamen und aus dem traditionellen Weingut eine „moderne“ Weinfabrik machten mit Beton-Zisternen statt Ton-Amphoren. Bekannt wurde die Weinfabrik dann als der „Rote Keller“, unter dieser Marke lief er bis in die 60-er Jahre des letzten Jahrhunderts.

Danach ging die Kellerei in den georgisch-sozialistischen Staatskonzern „Samtrest“ über, eine von insgesamt 22 Weinfabriken in Georgien. Weinfabriken, die allesamt keine eigenen Rebflächen besaßen und keine Abfülltechnik. Sie machten aus den von Samtrest zugelieferten Trauben Tankweine, die dann meist in Eisenbahnzügen nach Moskau gebracht wurden. In Tiflis gab es nur eine Flaschenabfüllung für den „Inlandsverbrauch“ der georgischen Weinfabriken, der gering genug war. Georgischer Wein war einfach Massenware.

Während der Perestroika Gorbatschows wurde erstmals die Möglichkeit geschaffen, dass sich Manager und Arbeiter einer Fabrik zu einer eigenverantwortlichen Genossenschaft zusammen schließen konnten, eigenverantwortlich für Gewinne wie Verluste. Da der „Rote Keller von Kvareli“ für Samtrest nur Verluste produzierte und damit ein Klotz am Bein war, wurde ihm dieser Weg bereitwillig zugewiesen. Management und Mitarbeiter gingen darauf ein. „Sowjetbürokraten haben uns damals gezwungen, ein bisschen früher als andere nachzudenken“, bewertet Nugsar Ksovreli, heute Generaldirektor der Aktiengesellschaft, diese Entscheidung aus der Perestroikazeit. Deshalb gab es in der Cooperative Kindzmarauli auch beim Zusammenbruch der Sowjetunion keinen Betriebsstopp, wie es ihn in nahezu allen anderen Weinfabriken des Landes gegeben hatte. Die Cooperative konnte als staatsferner Betrieb einfach weitermachen.

Der Weg war nicht einfach für die anfangs 260 Mitglieder der Genossenschaft, denn der Betrieb wurde mit der Umfirmierung nicht sofort profitabel. Man behalf sich damit, Weizen anzubauen, um den Mitgliedern mit Weizenzuteilungen wenigstens einen Teil des Arbeitslohnes entrichten zu können. Auch heute baut die Aktiengesellschaft noch 45 Hektar Weizen an, dazu rund 40 Hektar Haselnüsse und hat ein eigenes, kleines Wasserkraftwerk, das ebenfalls Gewinne abwirft.

Als nach dem Ende der Sowjetunion die Rebflächen an die Kolchosbauern verteilt wurden, diese aber keinen Markt für ihre Ernten hatten, kaufte die Kooperative rund 150 Hektar Rebfläche auf und wandelte sich zu einer Aktiengesellschaft um, der ersten Aktiengesellschaft im nachsowjetischen Georgien. Heute hat sie rund 180 Aktionäre, sieben Großaktionäre, der Rest teilt sich 20 Prozent der Aktien auf. Damit ist die Gesellschaft eine der wenigen Firmen Georgiens, wenn nicht gar die einzige, die aus eigener Kraft den Übergang von der Sowjetwirtschaft zur Marktwirtschaft bewältigt hat. Denn im Gegensatz zumindest zu nahezu allen anderen Weinfabriken hat der frühere „Rote Keller“ in den vergangenen 20 Jahren keine Kapitalspritze aus Ausland erhalten. Man hat bisher auf die eigene Kraft vertraut und nur das Geld investiert, das man selbst erwirtschaften konnte. Auf dem Kapitalmarkt in Georgien war in den letzten 20 Jahren für den Agrarsektor und seine Folgebetriebe kaum Geld zu vertretbaren Konditionen zu erhalten.

Dementsprechend sieht der Betrieb heute auch noch an einigen Stellen aus, das technische Erbe der Sowjetunion ist noch immer erkennbar, ein interessanter Kontrast zu den vielen Millionen schweren Auslandsinvestitionen im georgischen Weinbau. Trotzdem konnte man aus eigener Kraft auch in den letzten Jahren einiges investieren, zum Beispiel in die Abfülltechnik oder die Traubenannahme. Den ersten großen Investitionsschub mit rund 600.000 Dollar gab es in diesem Jahr mit neuen Pressen und neuen Edelstahltanks, die mit Hilfe des gerade etablierten Agrarfonds und dessen attraktiven Zinsen von real drei Prozent möglich wurden. Und im alten „Roten Keller“ der Sowjetzeit hat man jetzt wieder Kvevris eingebaut, um an die vor-sowjetische Tradition anzuknüpfen.

Der Betrieb lebt fast ausschließlich vom Export, nur etwa fünf Prozent der Weine werden im Inland verkauft. Hauptabnehmer sind die Ukraine mit einem Anteil von rund 45 Prozent, Weißrussland und Kasachstan, aber auch die USA, Kanada, Holland, Deutschland, Tschechien, Polen, China, Japan und – man höre und staune – Südafrika. Da die Hauptmarke „Kindzmarauli“ vor allem unter Russen, auch denen, die in den letzten 20 Jahren das Land verlassen haben, einer der beliebtesten Weine aus Georgien ist, ist auch folgerichtig, dass sich rund 40 Prozent der produzierten Weine unter der Rubrik „lieblich“ einordnen lässt. Kindzmarauli ist eine Lage in der Gegend von Kvareli, sein Saperavi-Wein wird traditionell halbtrocken ausgebaut. Mit etwas Skepsis beobachtet man in Kvareli die Wiedereröffnung des russischen Marktes. Auf alle Fälle will man erst dann richtig einsteigen, wenn man auch die entsprechenden Mengen an Wein im Lager hat.

Generaldirektor Nugsar Ksovreli ist, um in der Branchensprache zu bleiben, ein georgisch-deutsch-österreichisches Gewächs. Nach einem Agrarstudium in Georgien baute er als DAAD-Stipendiat seinen Doktor im Institut für Rebenzucht „Geilweiler Hof“ bei Landau/Pfalz, bevor er als Stipendiat zum Kloster Neuburg/Österreich ging. Nach ein paar Berufstationen in Georgien wurde er kurz nach der Jahrtausendwende Kellermeister in der Cooperative Kindzmarauli, bevor er sechs Jahre lang bei der deutschen GIZ (Gesellschaft für technische Zusammenarbeit) als Koordinator für das damalige Weinlabor-Projekt und späterer Direktor des Weinlabors tätig war. Seit vier Jahren ist er wieder zurück und leitet als Generaldirektor die Geschicke der wohl einzigen größeren Weinkellerei Georgiens, die den Weg vom Sozialismus in die Marktwirtschaft aus eigener Kraft geschafft hat. Und das nur, weil sie im Sozialismus alles andere als profitabel war. Ein Treppenwitz eigentlich.

Hotel Chateau Kvareli

Seit wenigen Wochen betreibt die Cooperative Kindzmarauli in direkter Nachbarschaft zu ihrer Weinkellerei ein neues Hotel mit 26 Doppelzimmern, einem Restaurant und einem Konferenzsaal. Im durchaus komfortablen Zimmerpreis inbegriffen ist eine Betriebsbesichtigung samt Weinprobe. Zwischen Kellerei und Hotel ist ein sehr schönes, gemütliches Gartenrestaurant mit traditioneller georgischer Küche. Auf jedem Zimmer wartet eine Karaffe mit einem halben Liter Wein als Willkommensgruss. Um auch ein Angebot für den Low-Budget-Tourismus zu haben, hat man im Hinterhof des Hotels gleichzeitig ein Hostel mit zusätzlich 30 Betten eingerichtet.