Georgien und die NATO

Afghanistan-Engagement kein Freiticket für NATO-Mitgliedschaft

Wieder einmal traf sich in Tiflis das höchste Gremium der Allianz, das „North Atlantic Council“ (NAC). In ihm sitzen alle in Brüssel akkreditierten Botschafter der NATO-Mitgliedsstaaten und der Generalsekretär. Gleichzeitig fand in Batumi die jährliche „Georgian Defense and Security Conference“ (GDSC) statt, auf der Politiker, Militärs und Wissenschaftler aus vielen Ländern sich Gedanken um die Sicherheitspolitik Georgiens machten. Das politische Ergebnis in Kürze: Georgien hat das Recht auf Mitgliedschaft in der NATO. Die Zusage für eine NATO-Mitgliedschaft Georgiens vom Bukarester Gipfel im Jahr 2008 wurde von allen NAC-Mitgliedern ausdrücklich bestätigt. Soweit, so gut, für die georgische Politik

In den Zwischentönen der Statements aber liegen die eigentlichen Botschaften der NATO an das Land. Erstens: Das georgische Engagement in Afghanistan ist kein Freiticket für die NATO-Mitgliedschaft. Zumindest in der Vergangenheit wurde dies in Georgien allerdings anders gesehen. Zweitens: Eine Aufnahme kann erst erfolgen, wenn Georgien in allen militärischen und politischen Fragen die von der NATO vorgegebenen Standards erfüllt hat. Zwar wurden die erreichten Fortschritte immer wieder gelobt. Es gäbe aber noch viel zu tun, wurde im gleichen Atemzug hinterher geschoben. Geduld ist also angesagt, die Entscheidung über die Aufnahme Georgiens in das Bündnis, die viele im Lande eher heute als morgen erwarten, steht wohl nicht ganz oben auf der Agenda der NATO.

Diese Einschätzung teilt auch Charles Kupchan in einem Interview mit der Nachrichtenagentur IPN. Kupchan ist Professor für Internationale Beziehungen an der Georgetown University/USA und war in der Clinton-Administration Direktor für Europäische Angelegenheiten im Nationalen Sicherheitsrat der Vereinigten Staaten. Das Thema Georgien, erklärte er, sei in der NATO auf der Warteliste, weil es einerseits erhebliche Spannungen mit Russland gäbe, andererseits auch innerhalb der NATO keine Einigkeit in dieser Frage bestünde. „Also, ich würde nicht sagen, dass die Mitgliedschaft Georgiens bevorsteht, noch würde ich sagen, es wird nie passieren. Mein Rat an das georgischen Volk und seine Regierung ist, weiter an der Integration in die euro-atlantischen Institutionen zu arbeiten. Vielleicht werden Sie am Ende in der Europäischen Union und in der NATO sein, vielleicht auch nicht. Aber so oder so wird diese Politik Ihr Land in einen viel besseren politischen, wirtschaftlichen und geopolitischen Zustand versetzen.“ Kupchan stellte aber auch einen Grundsatz der NATO fest, dass jedes Land das Recht habe, sich seine Allianz frei zu wählen.

Überlagert wurden die beide Treffen von innenpolitischen Querelen in Georgien. Präsident Saakaschwili hielt in der gemeinsamen Pressekonferenz mit NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen nicht mit massiver Kritik an der Regierung Bidsina Iwanischwilis zurück. Vor allem die Untersuchungshaft von Wano Merabischwili brandmarkte er immer wieder als politische Verfolgung der heutigen Opposition. Er zitierte dabei Stellungnahmen aus der Europäischen Volkspartei, wonach die derzeitige Regierung die Zukunft Georgiens gefährde (Gunnar Hökmark, stellvertretender Vorsitzender der EVP). Oder den Polen Krzysztof Lisek, den EVP-Berichterstatter für Georgien, der erklärte, die Verfolgung und die Verhaftung von oppositionellen Politikern stehe im Widerspruch zu den Zielen der EU und führten Georgien weg von der EU. Saakaschwili griff diese Vorlagen auf und erklärte im Beisein von Rasmussen: Wir waren ein führendes Land, wir wurden überall gelobt. Wir waren ein Musterland, ein beispielhaftes Land und jetzt wurden wir zu einem der problematischsten Länder in Bezug auf die europäische Integration herabgestuft.“

Rasmussen, der natürlich auch mit Iwanischwili konferiert hatte, fand eine diplomatische Antwort: „Wir verfolgen die Verhaftung von ehemaligen Regierungsmitgliedern mit großer Sorge.“ Aber auch: „Die Regierung hat uns versichert, dass die Justiz die Regeln des Rechtsstaates einhalten wird.“

Die Reaktion Saakaschwilis: „Haben Sie gehört? Der Generalsekretär hat seine großen Sorgen über diese Prozesse zum Ausdruck gebracht.“ Die georgische Kohabitation und die NATO, ein Schauspiel, das mit diesem Treffen seine vermutlich letzte Aufführung erlebt hat.