Gorgischer Weinbau im Umbruch

Festival des jungen Weins im Ethnografischen Museum

Der georgische Weinbau steht vor einem großen Strukturwandel. Warten es vor zehn Jahren nur rund ein Dutzend Anbieter, meist große, privatisierte Weinfabriken aus dem Erbe der Sowjetunion, die sich den Markt teilten, wächst in den letzten Jahren die Zahl der selbständigen Betriebe. Auf dem Festival des jungen Weins, das jedes Jahr im Mai im Tifliser Ethnografischen Museum veranstaltet wird, waren es bereits 36 Weinbaubetriebe, die ihren Jahrgang 2011 vorstellten.

Und die Entwicklung geht munter weiter. Überall im Lande entstanden und entstehen junge Familienbetriebe, die das Angebot der Großen im Markt durch individuelle Produktionen in mittelständischen Familien-Weingütern ergänzen. Dabei steht bei vielen dieser Weingüter die traditionelle georgische Produktionsmethode im Vordergrund, der Ausbau des Weines in großen, im Boden eingelassenen Tonamphoren, den Kvevri. Außerdem wird großer Wert auf den Erhalt der vielen endemischen georgischen Rebsorten gelegt. Das lässt für die Zukunft eine Diversifizierung des Weinangebots erwarten, nicht unbedingt für den Export, dafür aber für den einheimischen Markt. Auf Dauer wird von diesem Strukturwandel auch der Tourismus profitieren, der jetzt schon aus einer großen Zahl an interessanten Zielen für eine Weinreise in der Wiege des Weinbaus auswählen kann. Denn wirklich prickelnd waren die Betriebsbesuche in den großen Weinfabriken in den letzten Jahren in den seltensten Fällen.

Diese Entwicklung spricht sich langsam aber sicher auch in Europa herum. Kurz vor dem Tifliser Weinfestival besuchte Martin Darting, einer der bekanntesten deutschen Sommelier-Ausbilder und Sensoriker, die georgischen Weinbauregion Kachetien und hatte zum ersten Mal Gelegenheit, georgische Weine zu verkosten. Sein Weg führte ihn dabei nach Mukhrani, Telavi, Alaverdi und Kvareli, am Ende dann auch noch in die Sektkellerei Bagrationi. Es ist wohl kein Geheimnis, dass der deutsche Sensorik-Papst mit durchaus skeptischer Erwartung nach Georgien kam.

Der Kaukasischen Post schilderte Darting seine ersten Eindrücke vom georgischen Wein: „Überraschende sensorische Vielfalt kam aus dem Glas in die Nase! Nicht oxidativ, wie immer erzählt und leider auch unreflektiert weitergeben wird. Die Aromatik ist ohne Zweifel extravagant und für westeuropäische Weinnasen einfach betörend neu. Gelbfruchtige Düfte, nach Aprikosen, Orangenschalen, ebenso reifer Apfel und herbe Rhabarbernoten waren die ersten Eindrücke der Weine aus dem Kvevri. Beeindruckend anders und trotzdem sehr zugänglich, reif ohne langweilig zu wirken. Hohe Extrakte und moderat gepufferte Säuren entwickelten ein sagenhaft langes Mundgefühl. Die Kulinaristik mit internationalen Touch brachte mit den Weinen eine Fülle an neuen und inspirierenden Kickvarianten, zum Beispiel Saziwi: Hähnchen in Nusssauce dazu ein Vinoterra Kisi von Schuchmann aus dem Kvevri mit reifem Pfirsich, Datteln sowie einer dezenten ätherischen Holznote, sehr beeindruckend in der Vielfalt der Aromen in Kombination mit den Nüssen und dem Koriander des Hähnchens.“

Es war sicher nicht der letzte Besuch Dartings in Georgien. Geplant ist im nächsten Jahr eine Reise mit Sommeliers der Deutschen Wein- und Sommelierschule. Dann werden neben den bekannten Weingütern vielleicht auch das eine oder andere junge Weinbauunternehmen auf dem Reiseprogramm stehen. Je differenzierter das Angebot der georgischen Weinwirtschaft sich gestaltet, desto größer werden die Exportchancen. Denn auf dem Sektor Massenweine oder der Vertriebsschiene Supermärkte wird georgischer Wein noch lange nicht wettbewerbsfähig sein. Aber für individuelle Weine in hoher Qualität wird es immer attraktive Nischen auf dem europäischen Markt geben. Das Festival des jungen Weins 2012 markiert da nur den Anfang einer Entwicklung, die das Potential des georgischen Weinbaus mit seiner Tradition und der Vielfalt seiner Rebsorten erst ausschöpfen kann.