Naturkatastrophen durch Klimawandel im Kaukasus?

Hochwasser und Hanginstabilitäten in Georgien nehmen zu

Entlang der historisch wichtigen Heerstraße von der georgischen Hauptstadt Tiflis über den Großen Kaukasus nach Russland sind Hochwasserereignisse und Murgängen sowohl in der Häufigkeit als auch im Ausmaß angestiegen. Auch in der Region Bakuriani im Kleinen Kaukasus sind im Zuge des Baus der Pipeline Baku-Tiflis-Ceyhan (BTC -Pipeline) durch großflächige Eingriffe in die Landschaft vermehrt Hanginstabilitäten aufgetreten. Inwieweit der Klimawandel und Starkregenereignisse oder auch die veränderte Landnutzung in postsowjetischer Zeit Auslöser von häufigeren Massenbewegungen und Hochwasserereignissen sind, wird im Teilprojekt „Klimawandel und Massenbewegungen“ des Forschungsprojektes „Analysing multiple interrelationships between environmental and societal processes in mountainous regions of Georgia – Interdisciplinary research to foster sustainable land use, land development, and quality of life (amies)“ untersucht. Partner sind die Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) sowie die georgischen Universitäten Ivane Javakhishvili Tbilisi State University (TSU) und Ilia Chavchavadze (ICU), deren Partner eng kooperieren. Die laufenden Arbeiten haben zunächst die Region Pasanauri – Kreuzpass – Stepantsminda im Fokus.

Das Klima

Das lokale Klima im Untersuchungsraum variiert entsprechend der Höhenlage, dem Relief und der Hangexposition. In geringen bis mittleren Höhenlagen sind die Sommer lang und feucht, die Winter eher kurz und trocken. Im Sommer können, wie in vielen Hochgebirgsregionen typisch, gewitterhafte Starkniederschläge auftreten. Sie sind oft nur lokal begrenzt und können Hochwasserereignisse und Murgänge auslösen.

Klimawandel und Gletscherschmelze

Aktuelle Studien belegen einen anhaltenden Gletscherrückzug im Großen Kaukasus. So wurde im Sommer 2010 die Länge der Gletscherzunge des etwa 8,5 km langen Gergeti-Gletschers südöstlich des Kazbeg vermessen. Im Vergleich zur letzten Messung 2004 ist die Gletscherzunge um 123 m zurück geschmolzen, d.h. durchschnittlich um 20 m pro Jahr. Dieser Trend kann von unterschiedlichen Klimavariablen unterstützt werden, so in Sommern durch höhere Lufttemperaturen oder stärkere Strahlung infolge geringerer Bewölkung. Aber auch eine Abnahme der Schneeniederschläge kann dafür verantwortlich sein, andererseits trägt Regen zu verstärktem Abschmelzen bei. Die statistischen Analysen der lokalen Klimaverhältnisse und der kurz- bis mittelfristigen Klimaänderungen mittels Daten mehrerer Klimastationen zeigen, dass der jährliche Temperaturverlauf ab Mitte der 1960er Jahre einen positiven Trend zeigt. Dieser liegt in Kazbegi zwischen 0,2°C und 0,3°C pro Jahrzehnt. Vor 1965 fehlt ein signifikanter Trend. Auch für den Niederschlag ist ab Ende der 1960er Jahre eine Trendwende zu beobachten und es sind sogar positive Niederschlagstrends zwischen 6 und 13 mm pro Dekade vorhanden. Dies ist jedoch nichts Überraschendes, denn höhere Temperaturen können höhere Niederschläge bewirken. Auch die langfristigen Änderungen der Gletscherlängen und Abflüsse der durch Gletscher gespeisten Flüsse zeigen entsprechende Tendenzen.

Hochwasserrisiko und Gefahrenkarten

Durch Starkregenereignisse ausgelöste Hochwasserereignisse werden durch eine statistische Analyse der täglichen Niederschlagsdaten untersucht. Geländearbeiten und computerbasierte Modellierungen liefern weitere Erkenntnisse. Neben der Modellierung von Klima und Abfluss werden potenzielle Überschwemmungsflächen im Gelände kartiert und mit Hilfe digitaler Höhenmodelle und topographischer Karten in Hochwassergefahrenkarten dargestellt.

Gefahren durch Murgänge im Kaukasus

Wie in jedem Hochgebirgsraum treten auch in der Kasbegi-Region  Steinschlag, Hangrutschungen, Lawinenabgänge und Muren auf. In verstärktem Maße finden solche „Massenbewegungen“ in den letzten Jahrzehnten statt, was auch mit der globalen Klimaänderung zusammenhängen kann. Ein Murgang ist ein schnell fließendes Gemisch aus Schutt, Schlamm und Luft sowie einem hohen Anteil an Wasser. Muren können Geschwindigkeiten von über 50 km/h erreichen und erhebliche Schäden an Gebäuden und sonstigen Einrichtungen der Infrastruktur verursachen. Im Ort Mleta führen immer wieder größere Muren zu bedeutenden Schäden an Wohnhäusern, so letztmals im Juni 2010 nach einer längeren, intensiven Regenperiode. Um der Bevölkerung einen sicheren Schutz vor den potenziellen Massenbewegungsereignissen gewährleisten zu können, müssen die besonders gefährdeten Gebiete definiert werden.

Die Entstehung von Muren ist von mehreren Faktoren abhängig. Ein Gefahrenpotenzial stellen vor allem große Lockermaterialmassen in steilen Hanglagen dar. In der Region Kazbegi zählen dazu instabile und zu Rutschungen neigende Flysch-Gesteine, die geologisch alte Meeresablagerungen sind. Murgänge werden durch die hydrologischen Verhältnisse ausgelöst, wie Starkniederschläge, Schneeschmelze sowie die Hangwasserverhältnisse im Untergrund. Weitere Faktoren sind neben der Hangneigung auch die Höhenlage und die Exposition, aber auch die Landnutzung und Vegetation können viel dazu beitragen.

Ursachenanalyse als Planungshilfe

Die Gefahrenbewertung erfolgt in mehreren Schritten mit der Auswertung der vorhandenen Grundlagendaten, Geländeuntersuchungen und einer GIS-basierten Modellierung der Murgangsprozesse. Im Sommer 2010 wurde das Gelände geomorphologisch kartiert, Murgänge und Hangrutschungen inventarmäßig aufgenommen und an ausgewählten Hängen, die möglichst nah zu den häufig auftretenden Murgängen liegen, Bodentemperaturlogger eingebracht. Die fortlaufende Registrierung der Bodentemperaturen gibt wertvolle Hinweise auf die Frost- und Auftauprozesse im Untergrund, die in Verbindung mit dem Hangwasser wesentlich zur Hanginstabilität beitragen können.

Fazit

Die Erforschung der Zusammenhänge zwischen dem gegenwärtigen Klimawandel und der Entstehung von Hochwasserereignissen und Massenbewegungen in Gebirgsregionen werden zu einer nachhaltigen Entwicklung des Untersuchungsraums beitragen. Die erstellten Gefahrenkarten mit Risikozonen für Hochwasser, Hanginstabilitäten und Murgangsereignissen tragen zudem zur Katastrophenvorsorge entlang der Georgischen Heerstraße bei. Für die nächsten Jahre sind im Rahmen des Forschungsprojektes ähnliche Arbeiten im Untersuchungsgebiet Bakuriani, einer wichtigen Tourismusregion im Kleinen Kaukasus, vorgesehen.

Forschungsprojekt AMIES: Analysing multiple interrelationships between environmental and societal processes in mountainous regions of Georgia – Interdisciplinary research to foster sustainable land use, land development, and quality of life. Leitung: Prof. Dr. Annette Otte. Laufzeit: März 2010 bis Mai 2013.

Untersuchungsgebiete des Teilprojektes B „Klimawandel und Massenbewegungen“:  Kazbegi (Region Mzcheta-Mtianeti) im Großen Kaukasus und Bordschomi (Region Samzche-Dschawacheti) im Kleinen Kaukasus, Georgien. Leitung: Prof. Dr. Lorenz King.

Ziele des Teilprojektes B „Klimawandel und Massenbewegungen“: Die Veränderungen der Lufttemperatur und die Niederschläge sowie den Gletscherrückgang im Untersuchungsgebiet und das damit verbundene Abflussverhalten während der letzten Jahrzehnte sowie Hochwasserereignisse analysiert das Teilprojekt B1 „Klimawandel“. Das Teilprojekt B2 „Massenbewegungen“ verfolgt das Ziel, die Ursachen der aufgetretenen Murgänge zu erkennen und Risikogebiete für künftige Schlamm- und Gerölllawinen zu identifizieren. Die laufenden Arbeiten haben zunächst die Region Kazbegi im Fokus.

Gletscherrückzug in Kazbegi:Die Länge der Gletscherzunge des etwa 8,5 km langen Gergeti-Gletschers, der sich auf der südöstlichen Seite des Kazbeg befindet, hat sich 2010 im Vergleich zur letzten Längenmessung im Jahr 2004 um 123 m verringert, somit durchschnittlich um 20 m pro Jahr.

Temperaturänderungen in Kazbegi:Seit Mitte der 1960er Jahre hat sich ein positiver Temperaturtrend einstellt. Vor 1965 kann kein signifikanter Trend festgestellt werden. Der Trend ist bei den Klimastationen unterschiedlich hoch und liegt zwischen 0,2°C und 0,3°C pro Dekade. Die positiven Temperaturtrends belegen, dass im Zuge der globalen Erwärmung auch im Untersuchungsgebiet die Lufttemperatur stetig ansteigt.

Niederschlagsänderungen in Kazbegi:Für den Niederschlag ist ebenfalls eine Trendwende zu beobachten. Ab Ende der 1960er Jahre zeigen sich wesentlich geringere negative Trendraten und sogar positive Trends zwischen 6 und 13 mm pro Jahrzehnt. Entsprechend weisen auch die Gletschermassenbilanzen und Abflüsse der durch Gletscher gespeisten Flüsse in Kazbegi entsprechende Tendenzen auf.

Autoren: Ina Keggenhoff & Tatjana Keller (JLU), Mariam Elizbarashvili (ICU), Ramin Gobejishvili (TSU) und Lorenz King (JLU)

Kontakt:  Prof. Dr. Lorenz King, Justus-Liebig-Universität, Institut für Geographie, Senckenbergstraße 1, 35390 Gießen, Telefon: 0641 99-36262, Lorenz.King@geogr.uni-giessen.de