Nichts Genaues weiß man nicht

Wie Georgien den Tourismus wieder aufleben lassen will
Die georgische Regierung wird seit Wochen nicht müde, für den 1. Juli die Wiedereröffnung des Landes für den internationalen Tourismus herbeizureden. Als eines der Corona-sichersten Länder der Welt werde es auch eines der ersten Länder sein, das Touristen wieder einreisen lasse. Mit mehreren Staaten führe man deshalb Verhandlungen, um so genannte „grüne Zonen“ für den Tourismus zu definieren. Und in einigen internationalen Presseberichten werden Tiflis und Batumi zu den sichersten Städten in Sachen Corona-Risiken hoch geschrieben. Im Inland soll der Tourismus dann schon ab 15. Juni wieder erlaubt sein, das heißt, Hotels im ganzen Land dürfen wieder Gäste aus Georgien empfangen.

Mitte Juni allerdings ist noch völlig unklar, welche Regeln Georgien für den Incoming-Tourismus erlassen will. Bis dato muss man davon ausgehen, dass jeder Ausländer bei der Einreise ein negatives Corona-Testat vorlegen muss, das nicht älter als 72 Stunden sein darf. Wenn nicht, wird er bei der Einreise getestet und muss zwei Tage in Quarantäne, bis das Ergebnis vorliegt. Allerdings ist diese Regelung noch nicht endgültig beschlossen. Recht massive Einschränkungen sind auch beim Transport vorgesehen. Fahrzeuge sollen höchstens mit der Hälfte der Sitzplätze belegt werden dürfen. Der Sitzplatz des Fahrers soll durch Plexiglasscheiben oder Folien von denen der Passagiere getrennt sein. Diese sollen im Fahrzeug Mundschutz tragen und jeden Morgen vom Fahrer nach Fieber gemessen werden. In allen öffentlichen Räumen ist Mundschutz vorgesehen.

Recht drastisch sind auch die Regeln in Restaurants und Hotels. Mindestabstände sind einzuhalten, Frühstück- oder Abendbuffets sind nicht erlaubt, größere Abendessen wie zum Beispiel die georgische Supra sind anscheinend untersagt. Dazu kommen jede Menge an Desinfektionsvorschriften in Hotelzimmern und Restaurants. Das bedeutet alles in allem, dass sowohl in Fahrzeugen als auch in Unterkünften und Restaurants höchstens die Hälfte der früheren Kapazitäten genutzt werden können, was die Rentabilität erschwert. Dazu kommen noch erhöhte Kosten für Desinfektion und auch Personal. Das alles hat dazu geführt, dass Incoming-Agenturen und freiberufliche Reiseleiter erst einmal Protest eingelegt haben, über den zum Redaktionsschluss noch nicht entschieden wurde.

Die georgische Supra – Georgien erleben pur. Noch erlaubt in Zeiten der Corona-Hygiene?

Man darf aber davon ausgehen, dass es kaum Lockerungen geben wird, wenn die Georgier nicht Gefahr laufen wollen, von weitaus höheren Infektionsraten heimgesucht zu werden. Und damit würden sie dann den Status eines Corona-sicheren Landes verlieren. Ein Teufelskreis, aus dem wohl niemand einen vernünftigen Ausweg weiß. Nur eines scheint sicher: Das ursprüngliche Ziel, den internationalen Tourismus ab 1. Juli wieder nennenswert anzukurbeln, dürfte kaum erreicht werden.

Dazu kommt, dass Georgien erst einmal mit den wichtigen Herkunftsländern eine Übereinkunft treffen muss, nach der der Tourismus abgewickelt wird. Und da sieht es auch schlecht aus: Die beiden Länder mit den größten Touristen-Zahlen der letzten Jahre – Russland und Armenien – haben exorbitant hohe Infektionszahlen und dürften damit wohl vorerst mit geschlossenen georgischen Grenzen rechnen müssen. Auch Israel, das bereits erste Buchungen getätigt hatte, musste wegen der Infektionszahlen im eigenen Land erst einmal einen Reisestopp verhängen.
Ähnlich sieht es auch mit der Europäischen Union und damit auch mit Deutschland aus. Während das Reiseverbot für die meisten EU-Länder (incl. Schengen-Staaten und Großbritannien) ab 1. Juli aufgehoben wurde, hat zum Beispiel die Bundesrepublik Deutschland die Reise-Warnungen für alle anderen Staaten der Welt bis Ende August verlängert. Eine Entscheidung, die, was Georgien angeht, nicht kritiklos hingenommen wurde. Immerhin ist Georgien mit der EU assoziiert und manch einer will nicht einsehen, dass die EU die Länder der östlichen Partnerschaft nicht in ihre Tourismus-Politik einbezieht.

Klar ist allerdings: Eine Reisewarnung ist kein Reiseverbot. Jedermann kann auf privates Risiko nach Georgien fliegen und das Land besuchen. Wie er jedoch ohne entsprechende Buchungen an der Grenze behandelt wird, ist derzeit nicht abzusehen. Und: Von individuellen Reisen auf eigene Faust, wie sie in den letzten Jahren durchaus möglich waren, ist auf alle Fälle abzuraten, wenn sie denn überhaupt ermöglicht werden. Dabei ist auch noch nicht erkennbar, was die georgische Seite unter „grünen Zonen“ versteht, Corona-sichere Gebiete, die für den Tourismus geöffnet werden. Sollten darunter nur die größeren Tourismus- und Kurorte wie Batumi, Tskaltubo, Sairme und Gudauri verstanden werden, dann sind die Reisemöglichkeiten im Lande mehr als nur begrenzt.

Unklar ist nach wie vor auch die Anreise nach Georgien. Nur wenige Fluggesellschaften haben bisher Georgien-Flüge ab Juli angekündigt. Und bei einem bereits gebuchten Flug am 1. Juli mit Zwischenaufenthalt und Umsteigen in Istanbul hat die Airline mittlerweile den Flug Istanbul-Tiflis bestätigt, aber den Zubringer-Verbindung von Deutschland nach Istanbul und zurück wieder gestrichen. Der Fall wurde der KaPost aktuell berichtet.

Fazit: Bei allem guten Willen – und natürlich auch volkswirtschaftlichem Druck -, den Tourismus über Sommer wieder anzukurbeln, kann derzeit noch nicht annähernd prognostiziert werden, ob und wie das geschehen kann. Der Satz „Nichts Genaues weiß man nicht“ gilt vorläufig ebenso wie der Befund „Morgen kann alles wieder ganz anders sein“. Für Reise-Veranstalter im Ausland und Incoming-Agenturen in Georgien sowie deren Dienstleister wird die Ungewissheit weiter andauern. Zumindest bis zum Herbst dieses Jahres.