RAINwurf zum Themenkomplex Visafreiheit und Wohnungseinbrüche

Verfolgt man die Stellungnahmen georgischer Regierungsmitglieder und mancher Staatsgäste aus bestimmten Ländern Europas, auch der Einlassungen aus dem offiziellen Brüssel bei dem einen oder anderen Staatsbesuch aus Georgien, dann kann man nur noch einen Schluss ziehen: Die Zukunft Georgiens hängt von der sofortigen Umsetzung der Visa-Liberalisierung ab. Andere Probleme hat das Land nicht. Sofort heißt gleich, heißt vor allem noch vor den Wahlen im Oktober, womit man auf den vermutlich vollkommen abwegigen Gedanken kommen könnte, die Regierenden in Tiflis setzen die Zukunft ihres Landes mit der ihrer Regierung gleich. Das wiederum unterscheidet die georgische Regierung von kaum einer anderen der Welt. So gesehen ist natürlich Eile angesagt, höchste Eile, höchste Alarmstufe, wenn man die aktuellen Meinungsumfragen vor Auge hat.

Nun gibt es aber eine durchaus nicht ganz zu übersehende Gruppe von Menschen, die das Thema Visa-Liberalisierung lieber vertagt sähen. Das sind vornehmlich Provinz-Politiker in Europa, Leute aus dem zweiten oder gar dritten Glied, die das große Ganze weniger im Blick haben als ihre von Populisten jeglicher Art umworbene Wählerschaft. Man trifft diese vornehmlich in bergigem Gelände an, womit nun keinesfalls die Assoziation hervorgerufen werden sollte, sie seien Hinterwäldler.

Man könnte, nimmt man einzelne Stimmen Brüsseler Hinterbänkler wichtiger als sie sind, auch zur Auffassung kommen, alte Verbündete der Saakaschwili-UNM reiten das Steckenpferd von den politischen Gefangenen in Georgien, um den Durchbruch an der Visafront noch aufzuhalten. So einfach wäre dann der Wahlkampf: „Seht her, lasst unsere Leute endlich frei, dann klappt doch alles.“ Oder, noch verquaster, ein georgischer Spitzenpolitiker, der über Jahre hinweg eine durchaus respektable Rolle gespielt hat, begründet mögliche Verzögerungen in der Visa-Angelegenheit mit angeblichen Stalinisten in der georgischen Regierungskoalition. Nur weil ein Bierkönig, dessen Ära mit der Schewardnadse-Zeit eigentlich schon zu Ende war, ein Loblied auf den Diktator aus Gori gesungen hatte. Kommt hierzulande gelegentlich noch immer vor, was aber weniger bedeutend sein sollte als die Tatsache, dass in Gori Stalin eine nahezu undenkbare Wiedergeburt in der touristischen Vermarktung erlebt. Obwohl er selbst, nicht stählern aber in Bronze gegossen, außerhalb von Gori im Staub liegt. Alles Nebenkriegsschauplätze, die kaum jemand ernst nehmen will, hierzulande aber die Gazetten und TV-Nachrichten anreichern.

Aber es gibt eine einflussreiche Gruppe von Menschen, die alles andere als ein Interesse daran haben kann, dass Georgier in Massen ohne ein Visum nach Europa einreisen können. Die finden allerdings in der öffentlichen Diskussion zum Thema Visa-Freiheit kaum statt. Nicht verwunderlich, diese Leute sind dafür bekannt, dass sie die Öffentlichkeit scheuen. Es sind die Hintermänner der straff organisierten Einbruchsbanden. Schauen wir uns einmal ihr Geschäftsmodell genauer an, ein Modell, das kürzlich von einem renommierten Tifliser Wirtschaftsinstitut verklart wurde. Also, da sitzen ehemalige hochrangige georgische Kriminelle als ehrenwerte Leute irgendwo in Europa – nach Aussagen der georgischen Regierung vor allem in Moskau und meist längst ohne georgischen Pass, weshalb sie auch kein genuin georgisches Problem mehr sind – und steuern dort ganze Hundertschaften georgischer Asylbewerber auf ihren Einbruchstouren. Angeblich sollen sie in Georgien junge Männer anwerben und ihnen ein Startkapital von 5.000 Dollar in die Hand geben. Damit bezahlen diese den Flug nach Europa und können ihren Familien einen beträchtlichen Betrag für den Unterhalt während ihrer Abwesenheit hinterlassen. Ein Betrag, der manchen Familien zweifellos mehr als ein Jahr absichert. Mit dem Stichwort Asyl erhalten sie dann Unterkunft, Verpflegung und ein Taschengeld für rund ein Jahr im Gastland. Ein Jahr, in dem sie dann für ihre Finanziers anschaffen gehen. Die Einsatzpläne sollen nahezu militärisch strukturiertes Format haben. Dann wird der Asylantrag abgelehnt, die Männer kehren zurück nach Georgien, wenn sie nicht vorher erwischt und in Europa verurteilt werden, was allerdings selten vorkommt. Aber immerhin, ein Berufsrisiko. Für die Dunkelmänner in den Metropolen Europas haben sich die 5.000 Dollar Investition pro Mann bestens verzinst. Neue Leute werden angeheuert, denn bei der derzeitigen Wirtschaftslage in Georgien dürfte es kaum Nachwuchssorgen geben.

Mit Einführung der Visa-Liberalisierung würde dieses Geschäftsmodell allerdings zusammen brechen, vor allem, wenn Georgien dann noch zum sicheren Drittstaat erklärt wird, was dazu führen kann, dass Visa-Anträge in Wochenfrist abgelehnt werden können. Damit kann sich jeder potentielle Diebstahls-Rekrut nur noch zweimal 90 Tage im Jahr in Europa aufhalten. Die Einsatzzeit wäre also halbiert. Dazu kommt dann noch, dass die Alimentierung durch das Gastland wegfällt, die Drahtzieher der Diebesbanden müssten ihre Einsatztruppen also selbst verpflegen und versorgen. Eine gigantische Kostensteigerung für die private Beschaffungsarmee. Ob sich dann noch Investitionen von 5.000 Dollar pro Mann rechnen?

Was wäre daraus zu lernen? Ganz einfach. Die einzig erfolgversprechende Bekämpfung des georgischen Bandenunwesens in Europa liegt in der sofortigen Visa-Liberalisierung. Bedenkenträger in den hintersten Winkeln europäischer Berglandschaften: Umdenken ist angesagt. Die Sicherheit europäischer Villenbesitzer hängt von der Visa-Freiheit für Georgien ab. Die georgische Regierung hat dies längst erkannt.