Hintergründe zum 10. Internationaler Familienkongress in Georgien
Vom 16. – 18. Mai findet in Tiflis der 10. Weltkongress der Familien statt. Ausrichter ist eine in Amerika registrierte Nicht-Regierungs-Organisation, die sich weltweit insbesondere um den Erhalt der traditionellen, christlichen Familienwerte kümmert. Georgischer Ausrichter ist die Demografische Gesellschaft Georgiens XXI, eine Organisation, der es vor allem um die Besserung der demografischen Struktur des Landes geht. Ihr Leiter ist der georgische Unternehmer Levan Vasadze, dem sehr gute Beziehungen zum Patriarchat nachgesagt werden. Die Organisatoren in Amerika loben auf ihrer Webseite denn auch die Tatsache, dass dieser Kongress, zu dem mehrere Tausend Teilnehmer erwartet werden, erstmals in einem orthodoxen Land stattfindet. Zur Eröffnung des Kongresses sind alle Teilnehmer eingeladen, den Sonntagsgottesdienst des Patriarchen zu besuchen. Die georgischen Organisatoren haben den Termin dieses Kongresses extra so gelegt, dass der vom Patriarchen vor drei Jahren ausgerufene „Tag zur Stärkung der Familie und der Achtung vor den Eltern“, der 17. Mai, im Rahmen dieses Kongresses begangen werden kann. Ein Symbol wie sie selbst sagen. Weltweit gilt dieser Tag als „Internationaler Tag gegen Homophobie“.
Georgien ist allerdings nur zweite Wahl für diesen Kongress. Ursprünglich sollte er im September in Moskau abgehalten werden mit einer Eröffnungssitzung im Kremlpalast, einer Sondersitzung in der Staatsduma und einer Abschlussfeier in der Christ-Erlöser-Kathedrale. Der pompöse-Putin-Familiengipfel ist geplatzt, der Moskauer Kongress wurde abgesagt, weil, wie es auf der Website des Kongresses heißt, die Situation in der Ukraine und auf der Krim und die daraus resultierenden Sanktionen die Anreise und die logistischen Planungen erschwerten. Mit einer etwaigen Kritik an der Kreml-Politik in der Ukraine hat diese Entscheidung anscheinend nichts zu tun. Der amerikanischen NGO werden ausgezeichnete Beziehungen zum Kreml-Chef nachgesagt, dessen auf die traditionellen Werte der russischen Gesellschaft ausgerichtete Politik sie ausdrücklich unterstützt.
Auf der Tagesordnung des Kongresses stehen Themen wie:
– Die Familie als natürliche und grundlegende Einheit der Gesellschaft;
– Die Verpflichtung der Gesellschaft und des Staates, die natürliche Familie zu unterstützen und zu verteidigen;
– die Ehe als Fundament des Familienlebens;
– Abwertung der Ehe im Namen der Gleichheit;
– Die Rolle der Religion bei der Unterstützung von Familien;
– sinkende Geburtenraten;
– Abtreibung, Euthanasie, Leihmutterschaft und andere Lebensfragen;
– Gender-Theorie und die Sexualerziehung und wie sie die Familie und die elterliche Gewalt untergraben;
– Anti-Familien-Indoktrination in den Bereichen Bildung, Medien und den Gerichten.
Nachdem auf dem letzten Familienkongress in Ohio Georgien als Austragungsort des diesjährigen Kongresses gekürt worden war, erklärte Levan Vasadze auf dem Podium mit sichtlichem Stolz, er freue sich darauf, endlich auch Amerikaner in Georgien zu sehen, die nicht von der Soros-Stiftung geschickt wurden. In seinem Grußwort auf der Webseite des Kongresses wird er deutlicher: Georgien sei auf der einen Seite erfolgreicher als die meisten Ex-Sowjetrepubliken, was moderne Reformen angeht. Die Gäste des Kongresses könnten dies schon bei der Ankunft am modernen Flughafen und der problemlosen Zoll und Grenzkontrolle erkennen. Auf der anderen Seite leide das Land aber unter einer massiven Invasion von westlichen NGOs des Typs George Soros, die es als ihr Geschäft betrachteten, die Politik eines souveränen Staates zu beeinflussen, das heißt vor allem, das Wertesystem der traditionellen Familie Georgiens zu verändern. Georgien sei ein noch nie da gewesener Spielplatz für aggressive liberale Experimente. Die traditionelle georgische Gesellschaft werde dadurch eingeschüchtert. Als eine der ältesten europäischen und christlichen Kulturen stehe das Land angesichts der unerwarteten Metamorphose Europas vor einer Gratwanderung zwischen Modernisierung und widerstandsloser Anpassung. Es gelte vor allem, sich der die Familien zerstörenden Pseudokultur Europas zu widersetzen. Moderne westliche Liberale würden die christlichen Werte Georgiens beleidigen. Im vergangenen Jahr forderte Vasadze die Regierung auf, per Gesetz und Verfassung eine Kommission zu installieren, die die ausländisch geförderten Medien und NGO’s im Lande kontrollieren sollte. Die Kommission sollte jedem verbieten, die traditionellen Werte des Landes zu beleidigen.
Auf dem Kongress soll der frühere amerikanische Präsident George W. Bush mit dem „FAMLIA ET CIVITAS (Family and Democracy)“ Award ausgezeichnet werden. Ob Bush den Preis persönlich entgegennimmt, ist noch nicht bekannt. Bekannt ist aber ein anderer prominenter Gast: Marion Maréchal-Le Pen, eine Abgeordnete des französischen Parlaments. Sie wird auf dem Kongress sprechen. Auf der Webseite des Kongresses wird sie folgendermaßen eingeführt:
„Marion Maréchal-Le Pen wird als aufgehender Stern der französischen Politik betrachtet. Sie ist Mitglied der rechts-politischen Partei, der Nationalen Front (FN). Sie ist eine Enkelin von Jean-Marie Le Pen, dem Gründer der FN, und Nichte von Marine Le Pen, der aktuellen Präsidentin der FN. In ihren politischen Aktivitäten steht sie vor allem gegen die Förderung der Rechte von LGBTI-Personen. In einer Kampagne hat sie sich für die Förderung des Katholizismus als die entscheidende Komponente der französischen nationalen Identität bekannt. Sie kämpft gegen Einwanderung und für mehr Laissez-faire in der Wirtschaftspolitik . Sie erlangte Berühmtheit für ihre anti-muslimische Rhetorik. The Guardian beschrieb sie als extreme Rechtsextremistin und konservativer als ihre Tante, Marine Le Pen.“
Der 10. Weltkongress der Familien, so erwarten Beobachter des Landes, wird sicher weitreichende Spuren in der gesellschaftlichen Diskussion Georgiens hinterlassen. Und manche fragen sich, ob der Kongress nicht auch die eine oder andere Überraschungen für die im Oktober anstehende Parlamentswahl bringt.
Rainer Kaufmann