RAINwurf: Was ist das für ein Land!

Was ist das für ein Land! Das Land, auf das die halbe Welt mit neidischer Anerkennung schaut, weil es so korrekt ist, so pünktlich, so effektiv, so erfolgreich. Das Land des Bieres, der Brote und der Würste; das Land der Dichter, Denker und Musiker; das Land von Fußballkaisern und Formel-1-Göttern. Und: das Land des Automobils. In dem Land wurde es erfunden, das Land steht mit seinen Marken für edelste Karossen und solideste Technik.

Damit ist es vorerst einmal vorbei. Denn das Land steht jetzt auch für eines der dreistesten Wirtschaftsverbrechen der letzten Jahrzehnte. Zugegeben, es gehört viel Einfallsreichtum dazu, einen Motor, der notorisch die vorgegebenen Abgaswerte nicht einhalten kann, soll er in Preis und Leistung wettbewerbsfähig sein, so zu programmieren, dass er bei entsprechenden Test als Klassenprimus dasteht, was er im Straßenalltag nie und nimmer war. Es gehört aber noch viel mehr kriminelle Energie dazu, kriminelle Energie vermutlich der gesamten Führungsetage eines Konzerns, sich diesen Wettbewerbsvorteil zu erschummeln in der Einsicht, mit fairen Mitteln nie und nimmer Weltmarktführer werden zu können. Und es gehört schließlich eine gehörige Portion an Hybris dazu, nicht rechtzeitig die Reißleine gezogen zu haben, als amerikanische Behörden vor Jahren schon klar machten, dass sie dabei waren, dem Konzern und  hoffentlich auch – seinen Betrügern auf die Schliche zu kommen. Ein Land, in dem Regierungen und Verwaltungen – dem Drei-Affen-Prinzip folgend  – weder hören, noch sehen oder gar reden wollten, obwohl es längst ihre Pflicht gewesen wäre, die Einhaltung von Normen zu überprüfen um des Images der eigenen, nationalen Marke willen, die weltweit für ein besonderes Qualitätssiegel gehalten wird. Was ist das für ein Land?

Ein Land, man darf sich erinnern, in dem sich ehemalige, einst für reputierlich gehaltene Spitzenpolitiker für Hunderttausende von Euros im Jahr vor den Karren eines zentralasiatischen Despoten und dessen persönliche Rachefeldzüge spannen ließen. Ein Land, in dem ein Gute-Mensch-Fußball-Manager Millionen verzocken und dem Staat ebensolche hinterziehen konnte, ohne dass in seinem Prozess das wahre Ausmaß seiner Verfehlungen überhaupt ermittelt worden wäre. Ein Land,  dessen „sauber gewonnenes“ Fußball-Sommermärchen sich nachträglich zum Alptraum entwickelt. Ein Land, in dem eine Staatsanwältin ihren Posten verlassen musste, weil sie ihre Pflicht, Unrecht aufzuklären, allzu ernst nahm. Ein Land, in dem die tragende Säule der Wirtschaft, der gewerbliche Mittelstand ins Zwielicht geraten ist, seitdem entsprechende Dateien das wahre Ausmaß des unternehmerischen Volkssports, Steuerhinterziehung, erahnen lassen. Ein Land, das Millionen von Steuergeldern ausgibt, um Milliarden hinterzogener Steuern einfordenr zu können. Ein Land, in dem Steuerkanzleien und Rechtsanwälte seit Monaten Überstunden einlegen dürfen wegen der Steuer-Betrugs-Selbstanzeigen der ebenso selbst ernannten Leistungsträger der Volkswirtschaft. Ein Land, man erinnere sich noch etwas weiter zurück, in dem ein Tennisvater Honorare in Plastiktüten umhertrug und ein anderer Tennisstar vergaß, wo er eigentlich seinen Lebensmittelpunkt hatte. Beide Sportler galten als besondere Botschafter der Tugenden des Landes. Ein Land, in dem der wissenschaftliche Betrug Menschen gleich serienweise Titel und Ämter einbrachte, die sie später allerdings schändlichst verloren. Ein Land, das kaum in der Lage ist, seine Bürger vor illegalen Abhörpraktiken anderer Länder zu schützen. Ein Land, das alles kann, nur nicht die Normen eines Flughafen-Neubaus einzuhalten, und das Wasserwerfer auf Schüler einsetzen muss, um eine Bahnhofsbaustelle durchzusetzen. Ein Land, dessen Lebensmittelindustrie trotz strengster Standards und Kontrollen immer wieder von einem Gammelfleischskandal geschockt wird. Brechen wir hier einmal ab, die Aufzählung könnte über viele Seiten weiter geführt werden.

Es wäre ein normales Land, wenn es nur nicht überall in der Welt im Ruf des besser wissenden Oberlehrers stünde.