Austern-Pilze im TV-Bunker-Studio

Tsinamdzghvriantkari liegt irgendwo hinter Saguramo in einem Seitental des Aragvi. Und außerhalb des Ortes, wo die Kaukasus-Berge ins flache Argvital treffen, liegt ein früheres Sanatorium des sozialistisch-staatlichen Fernsehens, gebaut vermutlich in den 70-er oder 80-er Jahren. Ein drei- oder viergeschossiger typischer Sanatoriumsbau, in dem heute rund 40 IDP-Familien leben. IDP ist die Abkürzung für Flüchtlinge aus Ossetien oder Abchasien und steht für „Internal Displaced Persons“. Eine Austerpilz-Kultur war zu besichtigen, die von der „Association Rural Development for future Georgia“ (RDFG) als Beispiel vorgeführt wurde, wie sich eine IDP-Familie ihr eigenes Einkommen erarbeiten und sichern kann.
Eigentlich ein Routinetermin für den deutschen Botschafter Ortwin Hennig samt BMZ-Referentin Silke Klöver, die sich das IDP-Förderungs-Projekt anschauten, weil es auch mit Mitteln der deutschen Bundesregierung finanziert wurde. Aus dem Routinetermin wurde dann aber ein gruftiger Erkundungsgang in eine längst vergessene Welt. Denn das eigentlich bescheidene Sanatorium entpuppte sich urplötzlich als etwas ganz anderes. Das weit über den Grundriss des Sanatoriums hinaus verzweigte und fünfgeschossige Kellersystem war einmal gedacht als eine geheime TV-Station für alle denkbaren Krisenfälle der Geschichte mit unzähligen Büros und Räumen für TV-Technik samt größeren Studios. Ein kompletter Sender versteckt unter einem eher harmlosen erscheinenden Sanatorium, jetzt dient es Flüchtlingsfamilien als idealer Platz für die Zucht von Austernpilzen.

In einem rund 15 qm-großen Raum hängen rund 180 Plastiksäcke mit einer strohartigen Substratmischung von der Decke herab, ein Kanonenofen gibt Wärme, zusätzliche Befeuchtung schafft ein ideales Klima für die Pilze, die in rund einem Monat aus den Plastiksäcken wachsen. Rund fünf Kilogramm Pilze kann aus einem Sack geerntet werden, das sind 900 kg, bei rund zehn Ernten im Jahr demnach rund neun Tonnen Pilze und ein vernünftiges Einkommen für eine Familie.

Vano Grigoaschwili, Vorsitzender der RDFG, hofft, dass noch mehr der 40 IDP-Familien dem Beispiel seiner ersten Pilzzüchter folgen, denn Platz gibt es im unterirdischen TV-Bunker noch jeder Menge. Und die Vermarktung ist über Verträge mit großen Lebensmittel-Distributoren gesichert. Das RDFG-Programm eröffnete außerdem im Flüchtlingsdorf Tserovani ein Agro-Beratungszentrum, in dem Flüchtlingsfamilien in vielen landwirtschaftlichen Bereichen geschult beraten und zu einer Existenzgründung motiviert werden sollen.

Unser Bild zeigt Botschafter Ortwin Hennig und Silke Klöver in der Austernpilzzucht