WIZZ Air – ein besonderer Fall?

Erste Hintergründe zum Ausfall des Fluges Memmingen-Kutaissi
Von KaPost-Herausgeber Rainer Kaufmann

Heute kurz nach Mitternacht auf dem Allgäu-Flughafen von Memmingen: Chaos statt Nachtruhe. Rund 100 – überwiegend georgische – Passagiere des WIZZ Air Fluges nach Kutaissi bedrängten Polizei und Flughafen-Personal und wollten wissen, ob die Fluggesellschaft den von ihr gecancelten Nachtflug wenigstens am heutigen Morgen nachholen würde. Die Auskunft der Memminger Offiziellen: Das kann niemand wissen, die Airline hätte sich dazu noch nicht geäußert. Man stehe aber in Verhandlung mit der Gesellschaft.Was – von den Passagieren zumindest – zu diesem Zeitpunkt keiner wusste: Die Maschine, die am Vorabend statt in Memmingen in München gelandet war, befand sich bereits auf dem Rückflug nach Kutaissi, wo sie exakt um 4:38 Uhr Ortszeit, also um 2:38 deutscher Zeit, landete – ohne Passagiere. Sie war leer von München nach Kutaissi geflogen, um dort um 6:00 Uhr Ortszeit wieder pünktlich zu ihrem Linienflug nach Dortmund zu starten. Die Kutaissi-Passagiere saßen derweil in Memmingen fest und durften mit wirklich freundlicher Unterstützung der Flughafen-Verwaltung in der großen Halle erst einmal campieren. Für einige von ihnen wurden sogar Feldbetten aufgestellt. Eine Dienstleistung des Flughafens, zu der er nicht verpflichtet wäre und die er, nach Aussagen in Memmingen, von der Airline auch nicht erstattet bekommt.

Der gesamte Vorgang wirft viele Fragen auf, denen KaPost-online in den nächsten Tagen, Wochen und – wenn es sein muss – auch Monaten konsequent nachgehen wird.

Der erste Fragenkomplex: Warum hatte die Maschine bereits auf dem Flug von Kutaissi nach Memmingen eine Stunde Verspätung, wie am Nachmittag um 15:00 Uhr bereits angekündigt war? Wegen schlechten Wetters in Kutaissi, wie ein Mitarbeiter des Memminger Flughafens mit Bezug auf die Airline erklärte? Wohl kaum. Wir werden es aber in den nächsten Tagen mit Recherchen in Kutaissi klären. Trotzdem, mit dieser Verspätung hätten alle leben  können. Der Start in Memmingen war zunächst von 20:50 Uhr auf 21:50 Uhr, später auf 21:30 Uhr verlegt worden. Um 21:00 Uhr dann wurde am Gate 6 angekündigt: „Boarding now“, kurze Zeit später wurde das Boarding auf 21:45 Uhr verlegt, der Abflug auf 22:00 Uhr.  Mehr Chaos geht eigentlich nicht. Trotzdem, die Passagiere nahmen es geduldig zur Kenntnis.Zu diesem Zeitpunkt, so lässt sich heute schon nachvollziehen, war klar, dass die Maschine nicht in Memmingen gelandet war sondern in München. Warum den Passagieren dann noch ein Boarding in Memmingen versprochen wurde, ist nicht nachvollziehbar. Wenige Minuten danach dann die enttäuschende Ansage der Kontrolleure am Gate: Der Flug fällt aus, alle Passagiere müssen über die Einreise-Passkontrolle und die Gepäckausgabe wieder zurück in die Halle, wo man ihnen dann weitere Auskünfte geben werde. Keine offizielle Lautsprecher-Durchsage, die Passagiere, die für das angekündigte Boarding bereits Schlange standen, mussten die Nachricht selbst weiter verbreiten. Und in der Halle dann kein einziger kompetenter Vertreter der Airline, nur Mittelsleute der Flughafen-Verwaltung oder von privaten Dienstleistungsfirmen.

Was war geschehen? Kurz vor der angekündigten, verspäteten Landung war in Memmingen ein heftiges Gewitter heruntergegangen. Der WIZZ Air-Pilot hatte deshalb entschieden, in München zu landen. Sicher sein Recht und seine Pflicht, wenn er eine Landung in Memmingen aus Sicherheitsgründen nicht verantworten kann. Allerdings: Zur gleichen Zeit war eine Maschine von RYANAIR angekündigt, die ein paar Minuten mit Warteschleifen verbrachte, dann in Memmingen landete, um gleich darauf wieder mit neuen Passagieren und einer angemessenen Verspätung zu starten. WIZZ Air wird mit überzeugenden Argumenten begründen müssen, warum sich ihr Pilot anders verhalten hat, ein Verhalten übrigens, das von vielen Mitarbeitern des Memminger Flughafens wie der lokalen Polizei kaum nachvollzogen wird. Dies auch vor dem Hintergrund, dass es nach Aussagen der sichtlich WIZZ Air-gestressten Flughafen-Mitarbeiter nicht das erste Mal war in diesem Jahr, dass WIZZ Air einen Memmingen-Flug ersatzlos gestrichen hatte. Es soll sich, so die Auskunft hinter vorgehaltener Hand, jeweils um denselben Piloten gehandelt haben.Auf eine umfangreiche Anfrage der KaPost reagierte der ungarische Airliner heute mit einer knappen, offiziellen Stellungnahme: “ Der Wizz Air Flug W6 6409 von Kutaisi nach Memmingen am 19. August 2017 wurde wegen ungünstiger Wetterbedingungen in Memmingen nach München umgeleitet. Folglich wurde der Wizz Air Flug W6 6410 von Memmingen nach Kutaisi abgesagt. Alle Passagiere werden kostenlos auf alternative Wizz Air Flüge umgebucht. Die volle Rückerstattung für entstandene Kosten wie  Unterkunft und anderes, die durch die Verzögerung entstanden sind, werden in Übereinstimmung mit der Wizz Air Politik und die jeweiligen EU-Vorschriften ersetzt.“

KaPost-online wird im Detail verfolgen, wie diese Kostenerstattung abläuft und richtet daher eine eigenes email-Konto ein: kutaisi-flug@karo-media.net. Alle Passagiere können über diese Adresse auf deutsche oder georgisch ihre Erfahrungen mit dem Flug und die Abwicklung durch WIZZ Air berichten. KaPost-online wird diese Berichte, sofern sie mit vollem Namen und Adresse gezeichnet sind, veröffentlichen.

Die Stellungnahme von WIZZ Air bedarf allerdings einer wichtigen Ergänzung: Wie die KaPost von der georgischen Botschaft in Berlin erfuhr, die sich zusammen mit dem Münchner Konsulat Georgiens in dem  Krisenmanagement des Flughafens engagierte, ist es Aufgabe eines jeden Passagiers, bei der Buchung von Ersatzflügen in Vorleistung zu treten. Wie diese Kosten dann mit WIZZ Air abgerechnet werden können, werden wir in den nächsten Tagen versuchen, zu recherchieren.Wie die KaPost soeben von Passagieren des Flugs erfahren hat, ist es heute Morgen auf dem Flughafen Memmingen zu einem Eklat gekommen. Als georgische Passagieren, die in der Flughafenhalle übernachtet hatten in der Hoffnung, die Airline würde den Flug heute morgen nachholen, mit der Nachricht konfrontiert wurden, dass dieses nicht der Fall sei und sie jetzt das Flughafengebäude verlassen sollten, blockierten sie den WIZZ Air Abfertigungsschalter für einen Flug nach Sofia. Ihre Begründung: Warum soll diese Airline weiter Geld verdienen, wenn sie uns hier einfach sitzen lässt. Der Polizei blieb nichts anderes übrig, als sie mit verstärkten Kräften und deutlicher Androhung von rechtlichen Konsequenzen aus der Flughafenhalle hinaus zu komplimentieren. Viele der Passagiere erklärten, nicht genügend Bargeld zu haben für einen Ersatzflug, schoin gar nicht für eine Übernachtung oder einen Zwischentransfer zu einem anderen Flughafen. Denn die nächsten WIZZ Air Flüge aus Memmingen sind ausgebucht, wenn nicht sogar die Gefahr besteht, dass sie überbucht sind. Für diese Menschen ist der Urlaub mit Familie oder Freunden in Georgien erst einmal gestrichen. Ob sie ihre Kosten jemals zurück erstattet bekommen, ist derzeit ungewiss.

Wie dem auch sei, die Entscheidung des Piloten ist rechtlich wohl kaum zu beanstanden. Und im Kleingedruckten der WIZZ Air Geschäftsbedingungen wird sich die Airline juristisch schon hinreichend abgesichert haben. Die betroffenen Menschen aber hatten dafür heute Nacht kein Verständnis. Dass so etwas in Deutschland passiert…., war nur eine der harmlosesten Bemerkungen. Jenseits aller rechtlichen Bewertungen ist der Imageschaden enorm. Für die Airline und für den Flughafen Memmingen, den keine Verantwortung für die Situation trifft, der sie aber alleine zu bewältigen hatte. „Sind wir Georgier für Euch Deutsche keine Menschen?“ war eine der Fragen, die der KaPost vor Ort gestellt wurden. Denn die Airline hatte noch nicht einmal eine warme Suppe bereitstellen lassen oder eine Flasche Mineralwasser. Der Trost des Flughafen-Direktors, dass das Brauchwasser der Waschbecken Trinkwasser-Qualität habe und er es selbst immer wieder trinke, klang da mehr als nur bemüht. Aber: Warum muss der Flughafenbetreiber einspringen, wenn sich die Airline solch eigentlich selbstverständlicher minimalen Dienstleistungen verweigert?

Fraglich ist allerdings vor allem, warum die Maschine ohne Passagiere von München nach Kutaissi geflogen ist, statt einen kurzen Zwischenstopp in Memmingen zu machen und die dort wartenden Menschen an Bord zu nehmen. Betriebswirtschaftlich kann das kaum Sinn machen, vom Image-Verlust für den Airliner ganz abgesehen. In Memmingen, so die Auskunft der Flughafen-Verwaltung, hätte es für diesen Fall ganz sicher eine Ausnahmegenehmigung vom Nachtflugverbot ab 22:00 Uhr gegeben. Fragwürdig ist auch, warum sich WIZZ Air nicht dazu entscheiden konnte, die Passagiere mit zwei oder drei Omnibussen zum Flughafen München zu transportieren und dort, wenn auch mit einiger Verspätung, nach Kutaissi zu fliegen. Die Auskunft der Flughafen-Bediensteten wie auch der Polizei, man könne vor allem wegen der Urlaubszeit am Wochenende im ganzen Münchner Großraum auf die Schnelle keinen Omnibus chartern, klang wenig überzeugend. Aber: Was sollen sie auch sagen, wenn sie ihre Köpfe für das offensichtliche Versagen der Airline hinhalten müssen?

Immerhin: WIZZ Air zeigte sich bei zwölf Personen großzügig und zwar bei zwei Familien mit Kleinkindern. Da im heutigen WIZZ Air Flug von Dortmund nach Kutaissi noch zwölf Plätze frei waren, wurden sie mit Taxen von Memmingen nach Dortmund gefahren, um dann mit einem Tag Verspätung nach Kutaissi fliegen zu können. Der Witz dabei: Diese zwölf Passagiere werden mit genau demselben Flugzeug von Dortmund nach Kutaissi fliegen, das heute Nacht ohne Passagiere von München nach Kutaissi geflogen ist. Denn es konnte, so muss man wohl annehmen, den Flug Kutaissi-Dortmund nur deshalb pünktlich antreten, weil man knapp 200 Passagiere in Memmingen im wahrsten Sinn des Wortes hat sitzen lassen.

Fortsetzung folgt