Ein reinigendes Unwetter ?

Der Hagel in Kachetien und die georgische Parteienfinanzierung   

Georgische Wahlkämpfe werden seit zwei Jahrzehnten regelmäßig von Aufgeregtheiten begleitet, die mit politischen Inhalten nicht viel zu tun haben. Beim Gerangel um die Macht wird auf allen Ebenen vor und hinter den Kulissen mit äußerst harten Bandagen gekämpft. Vornehmlich mit allen rechtlichen Finessen. Besonders bizarr sind in diesem Jahr das Gerangel um die Staatsbürgerschaft des Oppositionsführers Bidzina Iwanischwili, die noch offen ist, oder die Vorgänge um die astronomisch hohe Geldstrafe von 80 Millionen GEL, die von der Kontrollkammer gegen Iwanischwili verhängt wurde. Iwanischwili soll mit seinen Firmen gegen die Regelungen der Parteienfinanzierung verstoßen haben.
Iwanischwili hatte diese Strafe niemals anerkannt, obwohl er in allen Gerichtsinstanzen, denen er eine besonders krasse Form von Regierungstreue unterstellt, unterlegen war. Die Folge: Der Staat versuchte, Iwanischwilis Firmen in einer Zwangsversteigerung an den Mann zu bringen, ohne Ergebnis. Nächster Schritt: Iwanischwilis Firmen, die CARTU-Bank und andere, wurden unter Staatsaufsicht gestellt, d.h. die Geschäftsführer ihrer Posten enthoben und durch staatliches Zwangsmanagement ersetzt.
Jetzt hat sich das Durcheinander ganz plötzlich in Wohlgefallen aufgelöst, Iwanischwili hat die 80 Millionen der Staatskasse überwiesen, allerdings ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht.
Katalysator dieser überraschenden Entwicklung war das Unwetter, das kürzlich einige Gebiete der Region Kachetien schwer heimgesucht hat. Bei sintflutartigen Regenfällen und Hagel wurden die Dächer von 770 Häusern abgerissen und rund 10.000 Hektar Rebfläche komplett zerstört.
Iwanischwili erklärte nun, seine „illegale“ Strafe dem Staatsbudget für die Aufstockung der staatlich zugesagten Hilfen für die Betroffenen zur Verfügung zu stellen. Die Regierung hatte den Betroffenen eine Soforthilfe von 1.500 GEL zugesagt. Viel zu wenig für Iwanischwili, der sich über Nacht in einem neuen Wettbewerb mit der Regierung befand: Wer hilft den Betroffenen wirklich und effektiv? Die Regierung oder der Multimilliardär in der Opposition? Weil eine direkte Spende ihn wieder mit dem Gesetz in Konflikt gebracht hätte, da Politiker keine Geschenke an Bürger verteilen dürfen, sei ihm nur dieser Ausweg geblieben. Gesichtswahrung auf georgisch.
Der Treppenwitz dieser Geschichte: Die Regierung ernannte mit Lewan Beschaschwili ausgerechnet den Mann als Koordinator ihrer Kachetienhilfe, der zuvor als Vorsitzender der Kontrollkammer die Millionenstrafe gegen Iwanischwili verhängen musste. Iwanischwili hatte mit seiner Millionenzahlung angekündigt, die Hilfsmassnahmen der Regierung in Kachetien streng zu kontrollieren. Beruschaschwili wird nachgesagt, bei den Parlamentswahlen im Oktober in Kachetien als Direktkandidat für die Regierungspartei antreten zu wollen. Die beiden Herren werden sich also noch öfter begegnen.
Unterdessen gehen die finanz-juristischen Geplänkel zwichen Regierung und Oppositionsführer munter weiter. Die Cartu-Bank zeigte den staatlichen Zweiwochen-Zwangsverwalter an, in dieser Zeit das Vermögen der Bank durch unzulässige Geschäfte geplündert zu haben. Und das Vollstreckungsbüro des georgischen Justizministeriums gab am 26. Juli bekannt, dass das Vermögen der zum Iwanischwili-Imperium gehörenden Firma Burji versteigert wird, da diese sich weigerte, eine Strafe von elf Millionen GEL zu zahlen. Der Hintergrund: Erneut ein Verstoß gegen das Parteienfinanzierungsgesetz. Versteigert werden sollten 36.000 Quadratmeter Grundbesitz in Tiflis und Sacchere und 203 Fahrzeuge vom Minibus über LKW`s bis hin zu Bulldozern und Traktoren. Da sich wieder kein Käufer fand, bleibt erneut die staatliche Zwangsverwaltung dieser Firmen oder das Warten auf das nächste Unwetter.
Gleichzeitig lässt die Regierung einen 155-seitigen Farbkatalog mit 181 Hochglanzfotos anscheinend in einer Millionenauflage kostenlos an alle Haushaltungen verteilen. Finanziert vom Ministerium für Kultur und Denkmalschutz, einigen Banken und Unternehmen. Der Titel: „Georgische Architektur nach der Rosenrevolution 2004 – 2012“.